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Rückläufige Insektenzahlen sind vor allem auf den Verlust häufigerer Arten zurückzuführen

Der Rückgang der Insekten in unserer Natur ist eine Entwicklung, die in ihrem Ausmaß insbesondere durch die sogenannte Krefelder Studie bekannt wurde. Jetzt liegen weitere Untersuchungen des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung vor. Die entsprechende Pressemitteilung drucken wir nachfolgend ab.

Dr. Volker Hahn

„Der Rückgang der Insekten ist auf Verluste bei lokal häufigeren Arten zurückzuführen. Das zeigt eine neue Studie, die in Nature veröffentlicht wurde. Geleitet von Forschern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), stellt die Meta-Analyse von 923 Standorten weltweit zwei wichtige Tendenzen fest: 1) häufige Arten mit vielen Individuen (hohe Abundanzen) sind stärker zurückgegangen als seltene Arten, und 2) die Zunahmen mancher Insektenarten waren zu gering, um früher beobachtete Häufigkeiten zu erreichen. Dies erklärt wahrscheinlich die verbreitete Feststellung, dass es heute weniger Insekten gibt als vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren.

iDiv-Forscherinnen und Forscher haben die langfristigen Tendenzen bei landlebenden Insekten wie Käfern, Motten und Heuschrecken analysiert und festgestellt, dass Verluste bei den früher am häufigsten vorkommenden Arten am stärksten zum Rückgang der lokalen Insekten beigetragen hat. Häufige Insektenarten sind die Arten, die lokal am zahlreichsten vorkommen - welche Arten das konkret sind, ist von Ort zu Ort unterschiedlich. Die Ergebnisse dieser Studie stellen die Behauptung in Frage, dass Veränderungen in der Artenvielfalt von Insekten vom Rückgang seltener Arten dominiert werden.

Die Studie folgt den alarmierenden Meldungen über den Verlust von Insekten, denen zufolge Forschende einen dramatischen Rückgang der Gesamtzahl der Insekten in vielen Teilen der Welt feststellen. Jedoch ist wenig über die allgemeinen und langfristigen Tendenzen bei lokal seltenen und häufigen Arten bekannt. „Es war offensichtlich, dass dies untersucht werden musste“, sagt Roel van Klink, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler bei iDiv und an der MLU. „Wir wollten wissen, ob sich die Beobachtungen über den Rückgang der Gesamthäufigkeit von Insekten bei häufigen und seltenen Arten unterscheiden und wie sich dies auf die Vielfalt in der Insektengemeinschaft insgesamt auswirkt”.

Häufige Arten verlieren am meisten

Van Klink und seine Kolleginnen und Kollegen wollten die Entwicklung der Insektenzahlen besser verstehen und griffen dafür auf 106 Studien zurück. Sie trugen Daten über Insektengemeinschaften zusammen, die über einen Zeitraum von 9 bis 64 Jahren in 106 Studien gesammelt worden waren. Dazu gehört zum Beispiel eine niederländische Studie über Laufkäfer, die seit 1959 läuft.

Mit dieser Datenbank bestätigten die Forscherinnen und Forscher, dass trotz Abweichungen bei den Daten die Zahl der Landinsekten insgesamt um 1,5 % pro Jahr zurückgeht. Um diese Entwicklung besser zu verstehen, verglichen sie die Tendenzen verschieden häufiger Arten und stellten fest, dass die Arten, die zu Beginn der Zeitreihen am häufigsten vorkamen, im Durchschnitt am stärksten von einem Rückgang betroffen waren - etwa 8 % pro Jahr -, während seltenere Arten weniger stark zurückgingen.

Dabei wurden die Verluste der zuvor dominierenden Arten nicht durch die Zunahme anderer Arten ausgeglichen, was weitreichende Folgen hat: Arten, die im Überfluss vorhanden sind, sind eine Hauptnahrungsquelle für Vögel und andere insektenfressende Tiere und erfüllen somit eine lebenswichtige Funktion im Ökosystem. „Die Nahrungsnetze müssten sich als Reaktion auf den Rückgang der am häufigsten vorkommenden Arten bereits erheblich verändert haben“, erklärt van Klink. „Diese Arten sind für alle möglichen anderen Organismen und für das Funktionieren des Ökosystems äußerst wichtig“.

Gewinner und Verlierer

Die Analyse zeigt deutlich, dass die früher häufig vorkommenden Insektenarten im Vergleich zu den weniger häufigen Arten durchweg die meisten Individuen verlieren. Aber auch weniger häufige und seltene Arten erleiden Verluste, was zu einem Rückgang der Zahl der lokalen Arten führt. Die Studie zeigt einen leichten Rückgang der Gesamtzahl der Arten um knapp 0,3 % pro Jahr. Dies deutet darauf hin, dass neben den häufigen Arten auch einige seltene Arten Verluste erleiden und teilweise lokal aussterben.

An der Spitze stehen die neu eingewanderten Arten, die es geschafft haben, sich erfolgreich als Teil der lokalen Gemeinschaft zu etablieren. Die meisten dieser Neuzugänge bleiben lokal selten und ersetzen andere, zuvor seltene Insekten, hin und wieder werden sie aber auch sehr häufig. Der invasive Asiatische Marienkäfer (Harmonia axyridis), der inzwischen in Europa, Amerika und Südafrika verbreitet ist, ist ein solches Beispiel.

Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren ist weitere Forschung nötig, um die Ursachen für diese Trends zu beleuchten. Wahrscheinlich ist jedoch, dass die Rückgänge im Zusammenhang mit den vom Menschen verursachten Veränderungen stehen, wie dem Klimawandel und die Urbanisierung, zwei Hauptursachen die für den Verlust der biologischen Vielfalt verantwortlich sind. „Insekten scheinen stärker davon betroffen zu sein als viele andere Arten, dass Menschen den Planeten immer mehr dominieren“, erklärt iDiv- und MLU-Professor Jonathan Chase, Letztautor der Studie. „Andere Studien, einschließlich derjenigen, an denen unser Team mitgearbeitet hat, haben bei vielen anderen Tier- und Pflanzengruppen keine derartigen Rückgänge auf lokaler Ebene festgestellt“.

Die Ergebnisse der Studie sind zwar eindrücklich, doch sind diese Tendenzen stark von den Daten über Insektengemeinschaften in Europa und Nordamerika beeinflusst. Sie sollten daher nicht als globales Phänomen interpretiert werden. Chase fügt hinzu: „Die von uns beobachteten Muster könnten ein Best-Case-Szenario für die Quantifizierung der tatsächlichen Auswirkungen des Menschen auf Insekten sein“, und verweist auf den, in Wissenschaftskreisen sogenannten Rettungsboot-Effekt. „Diese Rückgänge wurden in Langzeitstudien in Gebieten beobachtet, die weitgehend intakt geblieben sind, und nicht in Gebieten, in denen es zu einer massiven Umwandlung von Naturgebieten in vom Menschen geprägte Landschaften gekommen ist, wie zum Bespiel bei Einkaufszentren und auf Parkplätzen“.

Zur Langfassung (engl.) geht’s hier lang.

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