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Bewertung von Vogelbrutgebieten – manipulationsanfällig!
Seit vielen Jahren ist in Niedersachsen ein Verfahren zur Bewertung von Vogelbrutgebieten im Einsatz. Seinen Anfang genommen hatte es bereits 1985 (Berndt, R, Heckenroth H, Winkel, Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 5 (3): 1-11) und wurde zu seiner jetzigen Form 1997 weiterentwickelt (Burdorf K, Heckenroth H, Südbeck P, Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 17 (6): 225-231).
Umso erstaunlicher ist der Umstand, dass bisher nur wenig die naturschutzfachlich nicht nachvollziehbaren Unstimmigkeiten thematisiert wurden und auch keine Vorkehrungen getroffen worden sind, um einen erheblichen Manipulationsspielraum zu begrenzen.
Die Bewertung erfolgt anhand des Brutbestandes gefährdeter Vogelarten. Fachlich nicht nachvollziehbar ist es dabei jecoh, wenn das Gewicht eines Brutpaares umso kleiner wird, je größer der Bestand in einem Gebiet ist: Hat man es z.B. mit einem einzelnen Brutpaar der Uferschnepfe zu tun, so geht dieses mit 10 Punkten in die Bewertung ein. Siedeln dort zehn Paare, ist jedes einzelne noch 3,2 Punkte wert. Jedes weitere Brutpaar schlägt sogar nur noch mit 1,5 Punkten zu Buche.
Bild: Rotschenkel - mittlerweile "stark gefährdet"
Gebiete, in denen viele gefährdete Arten in Einzelpaaren vorkommen, werden dadurch höher gewichtet als solche, in denen weniger Arten, diese aber in stabilen Beständen vertreten sind. Für den Erhalt der Arten ist das eine sehr fragwürdige Einstufung.
Zusammen mit der Vorschrift, dass die Punktezahl auf 1 km² umzurechnen ist, führt diese Gewichtung von Brutpaaren zu naturschutzfachlich unsinnigen Ergebnissen, je nachdem, wie man ein größeres Vogelbrutgebiet in Untereinheiten aufteilt. Eine solche Aufteilung ist erforderlich, weil die Erfinder des Verfahrens wohl gemerkt haben, dass es nur innerhalb gewisser Grenzen überhaupt funktioniert. Die zu bewertenden Teilgebiete müssen zwischen 80 und 200 Hektar liegen. Die Folgen sollen an einem Beispiel verdeutlicht werden:
Man stelle sich ein großes Grünlandgebiet vor, in dem Feldlerchen und Große Brachvögel in gleichmäßiger Dichte von 5 Brutpaaren/100 ha (Großer Brachvogel) und 15 Brutpaaren/100 ha (Feldlerche) brüten. Teilt man das Gebiet in 80 bis 100 ha große Teilgebiete auf, errechnet sich für jedes die höchste Wertstufe („national bedeutsam“). Schneidet man größere Teilgebiete zu (z.B. 120 ha), so führt das Bewertungssystem nur noch zu „regionaler Bedeutung“, trotz identischer Brutpaardichte. Dieser Spielraum bei der Abgrenzung von Teilgebieten kann gezielt manipulativ eingesetzt werden. Der Spielraum lässt sich sogar noch weiter ausreizen, wenn man Teilgebiete der maximal zulässigen Flächengröße abgrenzt: Fällt die Feldlerchendichte darin aufgrund kreativer Grenzziehung „zufällig“ bei jedem zweiten Teilgebiet unter den Durchschnittswert, bleibt es dort sogar bei lediglich „lokaler Bedeutung“.
Weitere Beispiele und die genaue Herleitung sind in einem Fachaufsatz in Naturschutz und Landschaftsplanung im Detail nachzulesen.
Solange das niedersächsische Verfahren zur Bewertung von Vogellebensräumen an den kritischen Punkten nicht korrigiert worden ist, muss bei der Interpretation der Ergebnisse besonders sorgfältig auf die Einhaltung der Randbedingungen geachtet und überprüft werden, ob deren Spielräume nicht in „kreativer“ Weise genutzt wurden, um eine gewünschte Einstufung eines Gebietes oder bestimmter Teile zu erzielen.
Als Alternative zum beschriebenen Bewertungsverfahren steht ein weiteres zur Verfügung, welches bundesweit einheitlich anwendbar ist und die oben beschriebenen Schwächen vermeidet. Mithilfe einer vorgefertigten Tabellenanwendung lassen sich unkompliziert druckfertige Artenlisten mit der Gebietsbewertung erstellen.
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