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„Gemeinsame Entwicklung von Perspektiven im Großen Moor/Campemoor in Zeiten des Klimawandels“
Dr. Matthias Schreiber
Am 27.09.2023, 19:00 Uhr war es endlich so weit: Nach einer Vorbereitungszeit von einem halben Jahr fand am 27.09.2023 der erste große Bürgerdialog zur gemeinsamen Entwicklung von Perspektiven im Großen Moor/Campemoor in Zeiten des Klimawandels statt. Der Vorlauf reicht sogar noch ein bisschen weiter zurück: Seinen Ausgang hatte alles nämlich schon in einem informellen Arbeitskreis bei der Landrätin des Landkreises Osnabrück, Anna Kebschull, zur Zukunft der Landwirtschaft genommen. Dort wurde als wichtiges Thema, welches sowohl die Landwirtschaft als auch verschiedene Umweltbelange wie Wasser und Artenvielfalt berührt, die künftige Entwicklung der Moore in der Region erkannt. Um das Thema weiter eingrenzen zu können, wurde die Verwaltung beauftragt, hierzu Vorschläge zusammen mit verschiedenen Akteuren zu erarbeiten.
Drei Treffen in diesem Jahr brachten schnell die Erkenntnis, dass der anfängliche Teilnehmerkreis zu eng gefasst war: So kamen zuerst die Bürgermeister der im Landkreis Osnabrück betroffenen Kommunen hinzu. Beim Blick auf die Karte (siehe nebenstehend) wurde ferner klar, dass das Vorhaben angesichts der Ausdehnung des Moorgebietes nicht an der Kreisgrenze aufhören kann, sondern es unverzichtbar ist, auch den Landkreis Vechta einzubeziehen, deshalb wurde die Runde um die entsprechenden Akteure von dort erweitert.
Diese Vorgespräche waren auch für die Erkenntnis wichtig, dass die Entwicklung von Perspektiven nicht am grünen Tisch erfolgen kann, sondern externen Sachverstand in vielen Detailfragen, aber vor allen Dingen die Beteiligung und die Kenntnisse der im Gebiet lebenden und wirtschaftenden Menschen einbeziehen muss. Wenn es gelingen soll, nicht nur Perspektiven in Gutachten zu schreiben, sondern auch konkrete Maßnahmen umzusetzen, die den Anforderungen des Klimaschutzes, der Landwirtschaft und des Biodiversitätsschutzes gerecht werden, braucht es eine frühzeitige Beteiligung und Akzeptanz der Menschen vor Ort, so die einhellige Feststellung aller an den Vorbereitungen Beteiligten. Dies drückt sich auch in der gemeinsamen Erklärung aus.
Die Vorbereitungen in der ersten Jahreshälfte standen also nicht unter dem Motto: „Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet sich ein Arbeitskreis!“, sondern war notwendige Voraussetzung, um die Vielschichtigkeit des Themas zu erkennen und einen Weg zu suchen, wie das weitere Vorgehen aussehen könnte.
Der Auftakt zum Bürgerdialog
Die Veranstaltung am 27.09.2023 in der Gaststätte Beinker, Vennermoor, diente als Einstiegsinformation für die vor Ort Betroffenen. Schon einige Wochen vor dem Termin zeichnete sich in der Zahl der Anmeldungen das große Interesse ab. Mit ca. 250 Teilnehmern wurden alle Erwartungen dann sogar noch übertroffen.
Die Vorstellung des Vorhabens erfolgte prominent: Für den Landkreis Vechta standen Landrat Tobias Gerdesmeyer, für den Landkreis Osnabrück Landrätin Anna Kebschull Rede und Antwort. Zur Unterstützung bei Fachfragen hatten sie Dr. Matthias Galle und Dr. Benedikt Beckermann (beide Landkreis Vechta) sowie Dr. Detlef Wilcke und Johannes Stoltenberg (beide Landkreis Osnabrück) an ihrer Seite.
Die Vertreter beider Landkreise betonten, dass es keine Vorfestlegungen gebe und das gesamte Vorhaben von der Freiwilligkeit der Betroffenen leben werde. In beiden Landkreisen stehe die Politik hinter dem Vorhaben. Ebenso seien in beiden Landkreisen bereits erste Aktivitäten angelaufen, ohne dass dadurch die Offenheit des Gesamtprozesses eingeschränkt werde:
Landrat Tobias Gerdesmeyer erklärte für den Landkreis Vechta die Absicht, für seinen Bereich die noch vorhandenen Torfmengen und ihre Verteilung ermitteln zu lassen, denn die Erkenntnisse zur Moormächtigkeit aus den z.T. schon 50 Jahre alten Moorschutzprogrammen der Landesregierung bildeten keine verlässliche Grundlage mehr für heutige Entscheidungen. Ansprechpartner für dieses Projekt ist im Landkreis Vechta Dr. Matthias Galle.
Landrätin Anna Kebschull führt aus, dass der Landkreis Osnabrück trotz angespannter Haushaltslage Mittel für die Moorrenaturierung in Naturschutzgebiet „Venner Moor“ und „Dievenmoor“ zur Verfügung gestellt habe. Hierzu berichtete Dr. Wilcke im Detail. Seit einem Jahr beschäftigt die Verwaltung mit Johannes Stoltenberg außerdem einen Moorkoordinator. Die Landrätin betonte, dass beiden Landkreisen wichtig sei, die Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe zu erhalten.
Die vom Moderator Michael Steinkamp einbezogenen Mitglieder der Vorbereitungstreffen unterstützen die Zielrichtung des Vorhabens, so etwa Dr. Friedrich Willms, Geschäftsführer des Landvolks Vechta. Auf die Sorgen aus dem Kreis der Zuhörer zum Wertverlust von Grundstücken durch eine Vernässung angesprochen betonte er, dass dies dann im Rahmen einer Betroffenenanalyse zu bewerten sei. Für einen Ausgleich müssten dann entweder finanzielle Mittel zur Verfügung stehen oder die Möglichkeiten eines Landtauschs geschaffen werden, z.B. im Rahmen eines vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens, worauf Frau Dr. Andrea Heiker vom Amt für Regionale Landesentwicklung, Osnabrück, hinwies.
Auf die CO2-Minderungspotenziale angesprochen, konnte ich darauf verweisen, dass es nicht nur um eine Totalvernässung gehen müsse, sondern erhebliche Einsparungsmöglichkeiten bereits in der Umwandlung einer Ackerfläche in Grünland oder extensiv genutztes Grünland liegen. Für die Naturschutzverbände habe ich ferner betont, dass es auch uns auf Freiwilligkeit und die Vorschläge und Beteiligung der Betroffenen ankomme. Wer sich in diesem Rahmen etwa auf eine klimaverträgliche Umstellung seiner Produktion einlasse, müsse sich dafür auf Unterstützung verlassen können. Derzeit stünden Finanzmittel des Bundes über das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz zur Verfügung. Auf Dauer sei es allerdings wichtig, dass die von der Landwirtschaft aktiv erbrachten CO2-Minderungen am Handel mit CO2-Zertifikaten teilnehmen könnten, um so eine kontinuierliche Finanzierung zu sichern.
Josef Gramann von der Firma Gramoflor unterstrich die Bedeutung des CO2-Handels und betonte, dass CO2 die Währung der Zukunft werde und über kurz oder lang auch die Landwirtschaft betreffe. Es komme daher darauf an, auf seine CO2-Bilanz zu achten und machte dazu einen drastischen Vergleich auf: Ein Liter Milch auf Moorboden produziert entspreche in seiner CO2-Bilanz der Verbrennung von einem Liter Diesel.
Den Hinweis aus dem Publikum, es müsse auch eine direkte und enge Beteiligung der vor Ort Betroffenen sichergestellt werden, wird der Arbeitskreis durch eine Erweiterung seiner Runde aufgreifen.
Von den Zumutungen des Klimawandels
Der Klimawandel, der sich in diesem Jahr mit all seinen Extremereignissen drastisch Eingang ins allgemeine Bewusstsein verschafft hat, wird uns allen massive Zumutungen bescheren. Ohne dass wir uns noch darauf verlassen können, das ursprünglich angestrebte 1,5-Grad-Ziel des Paris-Abkommens noch zu erreichen und so auch die Hoffnung schwindet, es werde alles so bleiben wie bisher, sind dennoch alle erdenklichen Anstrengungen erforderlich, den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu beschränken, um die Folgen des Klimawandels wenigstens abzumildern. Dazu gehört zwingend, auch die Emissionen aus Mooren so weit wie möglich zu begrenzen und diese Gebiete am besten sogar wieder zu Senken für CO2 zu machen.
Damit kommt auf die im Großen Moor/Campemoor lebenden und arbeitenden Menschen eine zweite Zumutung zu: Denn für sie geht es nicht nur um die Umstellungen, mit denen alle umgehen müssen, sondern darüber hinaus stehen für ihr unmittelbares Umfeld voraussichtlich weitere einschneidende Veränderungen an. Hier helfen weder Klimakleber noch Klimastreiks. Hier müssen alle Akteure ohne ideologische Scheuklappen und sachorientiert Lösungen suchen, um das Projektgebiet möglichst zügig klimatauglich umzugestalten.
Das Projekt ist so auch eine Bewährungsprobe für das Funktionieren unserer Demokratie und unserer staatlichen Strukturen, die in der allgemeinen Diskussion zunehmend infrage gestellt werden. Für den Klimaschutz und die Bewältigung seiner Folgen bedeutet dies: Die allgemeinen Rufe der Bewegung Fridays for Future nach „der Politik“, die zu wenig tue, führen nicht weiter, denn sie verkennen ganz offensichtlich die Komplexität der konkreten Umsetzung vor Ort. Noch weniger helfen Vorstellungen von Bewegungen wie der „Letzten Generation“, die in der aktuellen Spiegelausgabe (40/2023) in der Person einer prominenten Aktivistin (Lea Bonasera) die Position vertritt, „dass es kaum möglich ist, auf legalem Weg die Klimakrise zu bekämpfen.“ Der Spiegel weiter: „Für Bonasera ist das demokratische System aber grundsätzlich untauglich, um auf die Klimakrise zu reagieren.“ Was die Konsequenzen daraus sein sollen, mag man sich kaum ausmalen.
Deshalb sollte die „Gemeinsame Entwicklung von Perspektiven im Großen Moor/Campemoor in Zeiten des Klimawandels“ über Parteigrenzen und Gruppeninteressen hinweg genutzt werden, um diesen düsteren Sichtweisen mit einem funktionierenden Gegenentwurf zu begegnen:
Unterstützt durch die gewählten Kreistage, mitgestaltet und getragen durch die Bewohner und Akteure vor Ort und organisiert und umgesetzt durch die Verwaltungen Klimaschutz konkret praktizieren!
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