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Der Goldregenpfeifer – in Niedersachsen ausgestorben!
Dr. Matthias Schreiber
Die aktuelle Rote Liste der gefährdeten Brutvogelarten in Niedersachsen und Bremen (es ist mittlerweile die 9. Liste, die seit 1974 regelmäßig aktualisiert wird) ist wieder länger geworden. Darüber ist in den Medien wiederholt berichtet worden. Das soll hier nicht noch einmal wiederholt werden.
Hier soll es speziell um den Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria) gehen. Er wird in der Roten Liste zwar noch in der Kategorie „Vom Aussterben bedroht“ geführt, weil die letzte Brut noch keine zehn Jahre her ist, aber tatsächlich ist die Art bei uns ausgestorben und wohl unwiederbringlich verschwunden, wie man auf der Homepage des Nabu Niedersachsen nachlesen kann. Seit 2015 sei kein einziger Brutnachweise mehr erbracht worden. Die Bestandsentwicklung gibt keinen Anlass auf Zuversicht. Goldregenpfeifer wird man in Deutschland künftig also nur noch auf dem Durchzug erleben können (siehe Eingangsfoto).
Aussterben durch Untätigkeit der niedersächsischen Naturschutzpolitik
Während der Nabu Niedersachsen auf seiner Homepage zu der Einschätzung kommt, über die Ursache des Bestandsrückgangs lasse sich nichts mit Gewissheit sagen, hat der Leiter der Niedersächsischen Vogelschutzwarte, Dr. Markus Nipkow, so einen Verdacht: „Ich vermute ein Ereignis außerhalb der Brutgebiete, z.B. einen Pestizideinsatz in den Überwinterungsgebieten.“
Vielleicht hätten er und seine Vorgänger in der Vogelschutzwarte weniger Mutmaßungen anstellen und sich stattdessen um den Schutz der drei Vogelschutzgebiete kümmern sollen, die Niedersachsen zur Sicherung dieser Art benannt hat. Denn obgleich die Verpflichtung zum Schutz der europäischen Vogelarten nach der EU-Vogelschutzrichtlinie seit bereits 41 Jahren gilt, sind noch immer nicht alle drei Gebiete auch wirklich vollständig durch eine nationale Verordnung geschützt. Für den westlichen Teil des EU-Vogelschutzgebietes V13 (Dalum-Wietmarscher Moor und Georgsdorfer Moor) steht eine solche Ausweisung z.B. noch aus. Gleiches gilt auch für große Teile der Diepholzer Moorniederung, eines der ersten Vogelschutzgebiete, die schon nach der sogenannten Ramsarkonvention ausdrücklich für den Goldregenpfeifer zu schützen sind. Sofern Verordnungen vorliegen, enthalten mehrere den Hinweis auf die Fortgeltung von Abtorfungsgenehmigungen in den Schutzgebieten. Nicht einmal in den ausgewiesenen Schutzgebieten steht der Naturschutz also im Vordergrund.
Beteiligt sind schwarze, grüne, gelbe und rote Umweltminister
Dass großflächige Abtorfungen mit dem Schutz eines Vogels mit ganz spezifischen Lebensraumansprüchen nicht vereinbar ist, muss nicht vertieft werden. Die Bilder aus solchen Mooren sprechen für sich. Verantwortlich zeichnen Umweltminister aller Parteien, denn zu Zeiten, in denen es die Goldregenpfeifer in den dafür nach Brüssel gemeldeten Vogelschutzschutzgebieten noch gab, erfolgten keine ernsthaften Bemühungen, die Lebensräume dieser Art wenigstens in den Schutzgebieten durch strenge Verordnung zu schützen, zuallererst Abtorfungen dort in den Schutzgebieten zu beenden und durch ein konsequentes Gebietsmanagement zu ersetzen.
Empfehlungen dazu hat es bereits 2005 gegeben (Schreiber und Moormann 2005). Es hätte sogar rechtliche Ansatzpunkte für eine Stilllegung von Abtorfungen gegeben, denn Behördenvermerke belegen, dass schon 1997 bekannt war, dass zumindest im Vogelschutzgebiet V13 in nicht unerheblichem Umfang ungenehmigter Torfabbau betrieben wurde.
Der Vogelschutzwarte liegen seit 2005 außerdem konkrete Gestaltungsvorschläge für Flächen für das Vogelschutzgebiet V13 vor, die in Absprache mit einem ausgewiesenen Goldregenpfeifer-Experten abgestimmt waren. Umgesetzt wurden sie nicht, sie versauern vermutlich in irgendeinem Schrank der Behörde und nie als Schutzempfehlung im Umweltministerium oder bei den zuständigen Behörden vor Ort gelandet.
Und wenn schon der Artenschutz für die Landesregierungen keine Rolle gespielt hat, so hätte es wenigstens der Klimaschutz sein müssen. Denn über die Genehmigung von Abtorfungen hat das Land in den vergangenen Jahrzehnten „seinen Beitrag“ zur CO2-Anreicherung der Atmosphäre geleistet, die uns nun immer häufiger Hitzeperioden und Dürren beschert – und ein Ende ist nicht in Sicht. Das Land leistet ihn sogar noch immer weiter, wie die erst kürzlich genehmigte Ausweisung von Vorrangflächen für den Torfabbau im Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Vechta belegt.
Und die Naturschutzverbände?
Beim Schutz des Goldregenpfeifers haben sie sich bisher nicht mit Ruhm bekleckert. Dass z.B. gegen die Abtorfungen in den Vogelschutzgebieten vorgegangen worden wäre, ist nicht bekannt geworden, obgleich die Defizite in den Genehmigungen offen lagen (siehe Schreiber und Moormann 2005).
In der Diepholzer Moorniederung, für die die Art Anlass zur Meldung als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung nach der Ramsar-Konvention war (hier übrigens das ursprüngliche Melde“dokument“ zum Gebiet von der Seite der Ramsar-Konvention), spielt das Brutvorkommen schon lange keine Rolle mehr. Auf der Homepage des BUND Niedersachsen, der das Gebiet seit Jahrzehnten betreutet, findet sich nur ein lapidarer Hinweis auf die Art. Nach Blüml und Sandkühler (2015) wurden hier die letzten Einzelbruten 2008 und 2014 verzeichnet.
Und der Nabu in Niedersachsen? Er macht mit einem goldigen Kükenfoto vom Goldregenpfeifer auf, schreibt über einen altgedienten Vogelschützer, der zum „Goldregenpfeifer-Papa“ wird, weil er „einmal ein verwaistes Regenpfeifer-Gelege mit Hilfe einer Brutmaschine erfolgreich ausgebrütet“ hat.
Wenn die Aktivitäten aus den Naturschutzorganisationen nicht weiter reichen, lässt sich eine Art wie der Goldregenpfeifer bei uns nicht erhalten!
Blüml V, Sandkühler K (2015): Bedeutung niedersächsischer Hochmoore für Brutvögel. Inform.d. Naturschutz Niedersachs. 35 (3): 119-177
Schreiber M, Moormann K-D (2005): Brutvogelbestandsaufnahme für das EU-Vogelschutzgebiet „Dalum-Wietmarscher und Georgsdorfer Moor“. Gutachten im Auftrag des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Betriebsstelle Hannover-Hildesheim, Geschäftsbereich IV Naturschutz, Hannover
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