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Eckpunktepapier Artenschutz und Windenergie – der Artenschutz wird geopfert!
Dr. Matthias Schreiber
Bisher erwiesen sich grüne Politiker als nicht besonders sensibel und fachkundig beim Umgang mit dem Konfliktfeld Artenschutz – Windkraftnutzung. Erinnert sei an ein gemeinsames Papier mit dem Nabu oder die Einlassungen des Grünen Staatssekretärs Sven Giegold unmittelbar nach Amtsantritt. Bisher waren das noch unverbindliche, allgemeine Absichtserklärungen gewesen. Am 04.04.2022 haben die Umweltministerin Steffi Lemke und der Klima- und Wirtschaftsminister Robert Habeck aber ein Eckpunktepapier „Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie an Land“ vorgelegt, mit dem es nun schon in Kürze ernst werden soll.
Das Umweltforum hat eine ausführliche Stellungnahme zu diesem Eckpunktepapier verfasst, die zum Download bereitsteht. Die zentralen Kritikpunkte lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bei welchem Wert die Signifikanzschwelle liegen wird, also das zulässige, über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Tötungsrisiko, welches von einer Windkraftanlage ausgeht, bleibt nach wie vor völlig unklar, ebenso, wie sie ermittelt werden soll.
Das Eckpunktepapier gibt eine feste Liste sogenannter kollisionsgefährdeter Arten vor, die das gleich große oder höhere Risiko weiterer Arten einfach ausblendet. Den Ländern ist es gleichzeitig verboten, von dieser Liste abzuweichen. Es wird ihnen damit sogar verboten, eindeutig festgestellte Verbotstatbestände durch Auflagen zu vermeiden, wie sie z.B. beim Auftreten von Bekassine oder Uferschnepfe im Umfeld von Anlagen bestehen. Für die enge Artenauswahl werden überdies Tabu- und verschiedene Prüfbereiche festgelegt, die nicht mit den fachwissenschaftlichen Erkenntnissen zur Deckung zu bringen sind und in ihrer Bedeutung völlig unklar bleiben. Selbst der Bundesverband Windenergie (BWE) stellt in einer Pressemitteilung vom 04.04.2022 fest: „Ob die Auswahl der hier künftig erfassten 16 Vogelarten wissenschaftlich basiert erfolgte, ist noch nicht nachvollziehbar.“ Angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Schutz der Vogelarten (siehe dazu hier) kann der Feststellung der Ministerin Steffi Lemke aus der Pressekonferenz vom 04.04.2022 nicht gefolgt werden, wenn sie meint: „Dafür bewahren wir hohe Standards für den Artenschutz, die europarechtlich dringend geboten sind.“ Das genaue Gegenteil ist der Fall, das europäische Recht wird offen missachtet (eine ausführliche rechtliche Würdigung von Prof. Gellermann findet sich hier).
Begleitend soll es Artenschutzprogramme geben, in der das Bundesumweltministerium, aber auch die Betreiber von Anlagen einzahlen sollen. Wie diese Programme aussehen sollen, bleibt nach dem Eckpunktepapier komplett im Dunklen. Aus dem Bundeshaushalt sollen 80 Mio. € lt. Lemke auf der Pressekonferenz am 04.04.2022 bereitgestellt werden (ob einmalig oder jährlich, wurde nicht ausgeführt). Dazu die Ministerin am 04.04.2022: „Und ich hoffe, dass er wirklich für den Naturschutz, für den Artenschutz, einen relevanten Beitrag leistet, weil er eben für gefährdete Arten Naturschutzverbesserungen, Artenschutzverbesserungen mit sich bringt und deshalb setze ich sehr sehr stark auf dieses Instrument.“ Bemerkenswerterweise ist sich die Ministerin nicht sicher, sondern sie hofft nur. Woher aber diese Hoffnung kommen soll, ergibt sich zumindest nicht aus den vom Bund bereitgestellten Mitteln, selbst wenn sie jährlich vorgesehen sein sollten. 80 Mio. bedeuten bei den 16 berücksichtigten Arten fünf Mio. € pro Art. Verteilt auf 12 Flächenländer (kleine Länder und Stadtstaaten einmal ausgeklammert und den Nachbarregionen zugeschlagen) verbleiben pro Land ca. 420.000 €. Davon lässt sich bei manchen Arten aber nicht einmal ein vernünftiges Monitoring als Ausgangsdatenbestand finanzieren. Dann hat es aber noch nicht eine einzige Maßnahme gegeben. Wann schließlich die komplementär vorgesehenen Gelder aus den Windkraftprojekten in welcher Höhe fließen und wie verteilt werden, ist noch völlig unklar.
Osnabrücker Ansatz wäre verboten
Als fatalen Nebeneffekt hätte die Umsetzung des Eckpunktepapiers die Zerschlagung des Osnabrücker Ansatzes zur Planung und Genehmigung von Windkraftanlagen zur Folge, der seit 2016 praktiziert und mit dem sich alle Seiten mittlerweile so eingerichtet haben, dass hier von Seiten der Naturschutzverbände jedenfalls keine größeren Einwände hinsichtlich des Artenschutzes mehr zu beklagen waren. Der Ansatz wird zunehmend auch anderswo angewandt und sogar von Projektierern nachgefragt. Eine mittlerweile vorliegende Differenzierung erhöht die Transparenz und führt sogar zu Entlastungen für solche Anlagen, die nicht gerade im engeren Umfeld der Horste kollisionsgefährdeter Vogelarten brüten. Der von Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Pressekonferenz genannte Zeitrahmen von 5-8 Jahren für die Planung und Errichtung von Windkraftanlagen wird im Landkreis Osnabrück weit unterschritten (nicht eingerechnet allerdings vom Antragsteller zu verantwortenden Verzögerungen wie z.B. unvollständige Unterlagen oder Umplanungen während des Verfahrens).
Der etablierte Konsens wäre mit der Zwangseinführung der Maßgaben aus dem Eckpunktepapier dahin!
Schlussbemerkung
Dass hier am Ende keine Verbesserung des Artenschutzes steht, wird nicht nur bei vertiefender Analyse deutlich, sondern das haben längst auch die Medien erkannt. So schreibt z.B. die FAZ am 06.04.2022 zum Programm des Wirtschaftsministers: „Dazu gehört das Mindern von Naturschutz zugunsten des beschleunigten Ausbaus von Solar- und Windanlagen, dem Kernanliegen des Gesetzespakets.“ Oder Spiegel online am 07.04.2022: „Erleichterung bei Planung und Bau von Anlagen: Windräder und Solaranlagen sind künftig »im überragenden öffentlichen Interesse« – damit gibt es auch kein generelles Bauverbot mehr in Naturschutzgebieten.“
Insgesamt muss man feststellen: Die Eckpunkte wurden zwar vom Wirtschaftsminister und der Umweltministerin gemeinsam vorgestellt: Betrachtet man die inhaltliche Linie, ist es aber ein rein wirtschaftliches Papier. Die Umweltministerin war da wohl nur die Anstandsdame, die gute Miene zum bösen Spiel zu machen hatte. Denn ökologische Belange sind in einer derart dilettantischen Weise abgearbeitet worden, dass man sich kaum vorstellen kann, dass darin der gesammelte Fachverstand des kompletten Umweltministeriums und seiner zuständigen Fachstellen eine tragende Rolle gespielt hat. Man möchte nicht in der Haut des Bundesamtes für Naturschutz stecken, die für all die Ungereimtheiten nun in aller Eile das fachliche Fundament liefern sollen.
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