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Eilantrag erfolgreich – „Traunsteiner Wolf“ darf einstweilen nicht getötet werden

Am besten immer gut versteckt und aus sicherer Entfernung beobachtend - das ist für den Wolf
eine gute Überlebensstrategie in einem schießwütigen Umfeld wie in Niedersachsen.

In einer Pressemitteilung der in diesem Verfahren erfolgreichen Kanzlei Baumann heißt es: „Die Allgemeinverfügung vom 17.01.2022, mit der die Regierung von Oberbayern die Tötung des „Traunsteiner Wolfes“ angeordnet hatte, darf somit bis zur Entscheidung des VG über die Klage des BN in der Hauptsache nicht vollzogen werden. Die Entscheidung, eine sog. letale Entnahme des Wolfes anzuordnen, war von der Regierung damit begründet worden, dass von dem Wolf GW2425m („Traunsteiner Wolf“) Annäherungen an bewohnte Siedlungen zu erwarten wären, woraus sich Gefährdungen für den Menschen ergeben könnten. Deshalb sei eine sofortige Tötung des Wolfsrüden erforderlich. Das VG München ist den hierzu seitens des BN vorgetragenen Gründen weitgehend gefolgt und hat die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt.

Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) freut sich über den Erfolg:

„Wir sind mit der Entscheidung sehr zufrieden. Das VG München hat in der ausführlichen Begründung seines Beschlusses sehr klar dargelegt, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die Gesundheit des Menschen, die eine sofortige Tötung des Tieres rechtfertigen würde, nicht gegeben ist. Vielmehr hätten zunächst die im Aktionsplan Wolf vorgesehenen milderen Maßnahmen angewandt werden müssen. Konsequenz ist nun, dass der Traunsteiner Wolf bis auf weiteres nicht getötet werden darf.“

Das Klageverfahren in der Hauptsache ist noch anhängig. Gegen den Beschluss steht der Regierung von Oberbayern das Rechtsmittel der Beschwerde zum VGH München zu.“

Keine Schutzgebiete für den Wolf in Westdeutschland

Selten beobachtet und oft nur mit einer Fotofalle nachgewiesen - der Wolf in heimischen Gefilden.

Der Abschuss von Wölfen ist aber nicht nur ein Problem in Bayern. Auch in Niedersachsen gilt das Hauptaugenmerk vieler Zeitgenossen bis hinauf zum eigentlich für Schutz der Art zuständigen Umweltminister Olaf Lies der Frage, wann und wie Wölfe abgeschossen werden dürfen. Dabei wird völlig ausgeblendet, dass die Art als prioritär auch im Anhang II der FFH-Richtlinie geführt wird, weshalb für den Wolf auch Schutzgebiete festzulegen sind. Und während die ostdeutschen Länder zusammen fast 50 Schutzgebiete ausgewiesen haben, fehlen entsprechende Bemühungen in Niedersachsen bisher vollständig, obgleich die Art hier mittlerweile ebenfalls heimisch ist.

Dass Niedersachsen diese Verpflichtung nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte, zeigt das Beispiel Österreich. Österreich hat nämlich im Dezember 2021 Post von der EU-Kommission bekommen (Österreich – EU PILOT(2021)10086). Darin wird die Ausweisung von Schutzgebieten angemahnt:

„Aufgrund der Auflistung des Wolfes in den Anhängen II und IV der Richtlinie ist Österreich verpflichtet, die für den Wolf geltenden Vorschriften bezüglich Ausweisung von Natura 2000 Gebieten und Etablierung eines strengen Artenschutzregimes vollumfänglich umzusetzen.

Dass der Wolf in Österreich ein regelmäßiges Vorkommen hat und im Land offenbar auch weit verbreitet ist, belegen zahlreiche Hinweise. Zwar lieferte der jüngste Bericht Österreichs nach Artikel 17 der FFH-Richtlinie (2019) keine Einstufung des Erhaltungszustandes für den Wolf, bestätigt jedoch eine Bestandsgröße von 23-28 Individuen für die Kontinentale und 6-8 Individuen für die Alpine Biogeographische Region.

Eine regelmäßige Fortpflanzung des Wolfes in Österreich ist seit 2016 für den Truppenübungsplatz in Allentsteig in Niederösterreich belegt. Die Anwesenheit eines zweiten Wolfsrudels wurde 2019 im nördlichen Waldviertel, im Grenzgebiet zwischen Nieder- und Oberösterreich bestätigt. Zwischen 2009 und 2018 konnten alleine in den westlichen (alpinen) Bundesländern Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten insgesamt 20 Wolfsindividuen genetisch nachgewiesen werden (Rauer 2018). Aufgrund der aktuellen Ausbreitungstendenz und des großflächigen Vorhandenseins attraktiver Lebensräume für den Wolf prognostiziert eine gutachterliche Stellungnahme der BOKU für Österreich zudem, dass sich in naher Zukunft sowohl im Flachland als auch in der alpinen Region Österreichs weitere Rudel der Art etablieren werden. (Hackländer K, Daim A, Bayer K, Kantelhardt J, Hinterseer AC, Niedermayr A, Kapfer M, Pröbstl-Haider U, Mostegl N, Schlegel A, Hödl C, Kriechbaum M, Splechtna B, Pennerstorfer J, Pröbstl F, Seiberl M (2019): Gutachterliche Stellungnahme zu den Auswirkungen von rückkehrenden Wölfen auf Landwirtschaft und traditionelle Weidehaltung, Freizeit- und Erholungswirtschaft, Jagd- und Forstwirtschaft sowie Biodiversität im Ostalpenraum. BOKU-Berichte zur Wildtierforschung und Wildbewirtschaftung 23. Universität für Bodenkultur)

Österreich hat bis dato kein Natura 2000 Gebiet für den Schutz des Wolfes ausgewiesen. Für die Auswahl der FFH-Gebiete, die Bestandteil des europäischen Netzes Natura 2000 werden sollen, sind die naturschutzfachlichen Kriterien der FFH-Richtlinie anzuwenden, die in Artikel 4 sowie im Anhang III der Richtlinie benannt sind. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes dürfen politische Zweckmäßigkeit, wirtschaftliche oder infrastrukturelle Interessen keine Rolle bei der Gebietsauswahl und -abgrenzung spielen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. November 2000, C-371/98 „First Corporate Shipping“, ECLI:EU:C:2000:600, Rz. 22-25, Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 2006, C-244/05 „Bund Naturschutz in Bayern“, ECLI:EU:C:2006:579, Rz 39). Geeignete Natura 2000-Gebiete sind alle Gebiete, die in signifikantem Maße dazu beitragen einen natürlichen Lebensraumtyp oder eine Art der FFH-Richtlinie in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren oder einen solchen wiederherzustellen. Außerdem sollen die Natura 2000-Gebiete in signifikantem Maße zur Kohärenz des Schutzgebietsnetzes sowie zur biologischen Vielfalt in den biogeografischen Regionen der Europäischen Union beitragen. Bei Tierarten, die große Lebensräume beanspruchen, entsprechen die Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse den Orten im natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Arten, welche die für ihr Leben und ihre Fortpflanzung ausschlaggebenden physischen und biologischen Elemente aufweisen.

Im Sinne von Artikel 3 der Richtlinie muss das für den Wolf in Österreich zu erstellende Natura 2000 Netzwerk zudem die Wiederherstellbarkeit eines günstigen Erhaltungszustandes der Art in ihrem potentiellen natürlichen Verbreitungsgebiet innerhalb Österreichs sicherstellen. Österreich gehört vollumfänglich zum natürlichen Verbreitungsgebiet des Wolfs.“

Der Aderlass durch illegale Abschüsse und den Straßenverkehr ist für den Wolf schon jetzt groß genug. Anstatt sich also mit dem Abschuss von Wölfen zu befassen, sollte Niedersachsen lieber seinen Verpflichtungen zur Ausweisung von Schutzgebieten für diese Art nachkommen, um einem Vertragsverletzungsverfahren und einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof vorzubeugen.

Text: Matthias Schreiber, Fotos (G. Niehaus; außerdem Aufnahmen aus Fotofallen; beide aus dem westlichen Niedersachsen)

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