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Feldlerche ohne Schutzgebiete noch immer in Not!
Bereits seit 1971 ernennen der Landesbund für Vogelschutz in Bayern e. V. (LBV) und der Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) jedes Jahr den „Vogel des Jahres“. Ziel der Kampagne ist es, Aufmerksamkeit auf die Gefährdung der jeweiligen Vogelart und seinen Lebensraum zu lenken sowie Unterstützung für dessen Schutz zu gewinnen (LBV 2019). Im nachfolgenden Text werden die Forderungen der Vereine für einen verbesserten Schutz der Feldlerche, Vogel des Jahres 2019, mit Blick auf die Umsetzung der europäischen Vogelschutzrichtlinie betrachtet.
Als typischer Feldvogel liegen die Ursachen für die Gefährdung der Feldlerche nach NABU und LBV in einer intensivierten Landwirtschaft, dem Insektenrückgang, dem vermehrten Einsatz von Pestiziden, einer zunehmenden Versiegelung der Landschaft sowie der direkten Bejagung der Art innerhalb Europas (beispielsweise in Südwestfrankreich). Als Forderungen zum Schutz der Art nennen NABU und LBV dementsprechend die Erweiterung des ökologischen Landbaus und eine Extensivierung landwirtschaftlich genutzter Flächen. Zusätzlich verweisen sie auf die Reduzierung von Aufforstung auf nährstoffarmen Böden und die städtebauliche Zersiedlung. Konkret formulieren die Vereine zudem den Appell an Politikerinnen und Politiker sowie Verbraucherinnen und Verbraucher, sich für eine naturverträgliche Gemeinsame Agrarpolitik der EU einzusetzen oder das Pestizid-Zulassungsverfahren zu reformieren (NABU). Diese Forderungen sind generell naheliegend und richtig, lassen aber die seit über 40 Jahren bestehenden Verpflichtungen der europäischen Vogelschutzrichtlinie (VRL) und der damit verbundenen Etablierung eines wirksamen Schutzgebietsnetzes außer Acht. Ziel der europäischen Richtlinie ist es, sämtliche in der EU natürlicherweise vorkommenden Vogelarten langfristig zu schützen ( Art. 1 VRL). Um dieses Ziel zu erreichen, müssen u. a. für regelmäßig wandernde Arten, zu denen auch die Feldlerche gehört (Bauer et al. 2012), Besondere Schutzgebiete (BSG) ausgewiesen werden ( Art. 4, Abs. 2 VRL). Dabei müssen diese Gebiete von ihrer Größe und Qualität für die Arten so geeignet sein, „um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.“ (Art. 4 Abs. 1, Satz 1 VRL)
Nachfolgend wurde die Umsetzung dieser Vorgaben überprüft. Dafür wurde untersucht, zu welchen Anteilen die Populationsbestände der Feldlerche innerhalb von BSGs (Gebietstyp A oder C) geschützt werden. Es wurden solche BSGs ausgewählt, deren Standarddatenbögen (SDB) die Feldlerche als Erhaltungsziel ausweisen. Als zusätzliche Bedingung wurden ausschließlich solche Gebiete einbezogen, die zur Aufzucht von Nachwuchs genutzt werden (Populationstyp Fortpflanzung/„r“).
Die geschützte Populationsgröße wurde über den Mittelwert der im SDB angegebenen, gebietsspezifischen Populationsunter- und -Obergrenzen bestimmt. Die verwendeten Daten stammen aus der Natura 2000 Datenbank, Stand 2018 (EEA 2019). Die geschützten Bestände wurden anschließend mit Bestandsdaten von 2005-2009 aus dem Atlas Deutscher Brutvogelarten verglichen. Auch diese wurden für die Berechnung der relativen Bestände im BSG gemittelt (Gedeon et al. 2014). Der Vergleich erfolgt auf Bundes- und Landesebene.
Die Untersuchung zeigt, dass bundesweit nur etwa 1 % der Feldlerchenpopulation innerhalb von BSGs liegen. Lediglich vier Bundesländer haben Gebiete zu ihrem Schutz ausgewiesen (Tabelle 1). Die höchste Anzahl an BSGs sowie die höchsten Bestandszahlen weist Schleswig-Holstein auf. Sie decken etwa 26 % des Landesbestands ab. Mit deutlichem Abstand folgen Niedersachsen (~5%) und Nordrhein-Westfalen (~4 %). Sämtliche geschützte Bestände der Feldlerche in Nordrhein-Westfalen und Bayern liegen zudem in einem einzelnen Schutzgebiet. Die 200 geschützten Reviere in Bayern machen weniger als 1 % der Landesbestände aus. Die Ergebnisse sind auch in Abbildung 1 dargestellt.
Tabelle 1 - Vergleich der landesweiten Bestandszahlen der Feldlerche mit den ausgewiesenen Beständen in Vogelschutzgebieten
Bundesland | Landesbestand | Bestand im VSG (absolut) | Bestand im VSG (Anteil am Landesbestand) | Gebiet für Feldlerche |
---|---|---|---|---|
SH | 30 000 | 7819 | 26 % | 25 |
NI/HB | 100 000-200 000 | 7047 | 4,7 % | 27 |
NW | 85 000-140 000 | 4000 | 3,6 | 2 |
BY | 235 000-275 000 | 200 | 0,04 | 1 |
RP | 40 000 - 80 000 | 0 | 0 | 0 |
BB/BE | 100 000 - 200 000 | 0 | 0 | 0 |
BW | 85 000 - 100 000 | 0 | 0 | 0 |
HE | 150 000 - 200 000 | 0 | 0 | 0 |
HH | 1 100 | 0 | 0 | 0 |
MV | 150 000 - 175 000 | 0 | 0 | 0 |
SL | 5 000 - 12 000 | 0 | 0 | 0 |
SN | 80 000 - 160 000 | 0 | 0 | 0 |
ST | 150 000 - 250 000 | 0 | 0 | 0 |
TH | 80 000 - 160 000 | 0 | 0 | 0 |
Gesamt | 1,3 - 2,0 Mio. | 19066 | 1,15 % | 55 |
Die Darstellungen in Tabelle 1 und Abbildung 1 zeigen auf, dass hinsichtlich der Schutzgebietsausweisung für die Feldlerche bundesweit ein deutliches Defizit besteht. Es bedarf keiner vertieften Analyse, um festzustellen, dass diese Gebiete für die Feldlerche schon zahlenmäßig nicht ausreichen können, „um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.“, wie es die Vogelschutzrichtlinie vorschreibt. Dabei könnte dieses Defizit leicht dadurch verringert werden, indem die Feldlerche konsequent in jedem Vogelschutzgebiet als Erhaltungsziel nachnominiert wird, in dem sie vorkommt. Dem müsste dann ein gezieltes Management in diesen Schutzgebieten folgen, um den deutlichen Bestandsrückgängen (Bauer et al. 2012) entgegenzuwirken.
Forderungen nach einer nachhaltigeren Agrarpolitik auf europäischer Ebene sowie die Kontrolle des Zulassungsverfahrens für Pestizide sind wichtig. Es stellt sich aber die Frage, warum NABU und LBV nicht stärker darauf dringen, die Pflicht-Instrumente der Schutzgebietsausweisung der VRL für die Feldlerche einzufordern, denn mit ihnen muss der Schutz auch für diese Art immerhin einen Umfang erreichen, „um ihr Überleben und ihre Vermehrung in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen.“
Quellen:
Bauer H-G, Bezzel E & Fiedler W (2012): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Ein umfassendes Handbuch zu Biologie, Gefährdung und Schutz. Wiebelsheim: AULA-Verlag, 2. Auflage.
Gedeon K, Grüneberg C, Mitschke A, Sudfeldt C, Eikhorst W, Fischer S, Flade M, Frick S, Geiersberger I, Koop B, Kramer M, Krüger T, Roth N, Ryskavy T, Stübing S, Sudmann SR, Steffens T, Vökler F, Witt K (2014): Atlas Deutscher Brutvogelarten. Stiftung Vogelmonitoring Deutschland und Dachverband Deutscher Avifaunisten, Münster.
Karte und Text: Nina Schneider (M. Sc.); Foto: Dr. Matthias Schreiber
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