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Die Mehrheit des Umweltausschusses wünscht ein Landschaftsschutzgebiet
Dr. Matthias Schreiber
Anlass für Tagesordnungspunkt 4 in der Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Energie des Landkreises Osnabrück am 10.09.2024 war die nach wie vor ausstehende dauerhafte Sicherung des FFH-Gebietes „Düte mit Nebenbächen“ (EU-Code: DE3613332). Schon längst nämlich hätte das Gebiet einen dauerhaften Schutzstatus nach dem Bundesnaturschutzgesetz haben müssen, um den Anforderungen aus der FFH-Richtlinie gerecht zu werden. Weil das bei einer Vielzahl von Gebieten aber nicht der Fall war, hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland deshalb in seinem Urteil C-116/21 vom 21.09.2023 verurteilt (siehe hier). Formal ist die Ausweisung nach nationalem Recht in den allermeisten Fällen mittlerweile erfolgt. Die Düte ist eines der letzten Gebiete bundesweit, wo eine solche dauerhafte Unterschutzstellung fehlt. Die bisher ergangene einstweilige Sicherstellung erfüllt diese Anforderungen nicht. Sollte die EU-Kommission dieses nunmehr seit vielen Jahren bestehende Umsetzungsdefizit erneut aufgreifen, so wären Stadt und Landkreis Osnabrück dafür verantwortlich, dass es zu einem – diesmal bußgeldbewehrten – weiteren Vertragsverletzungsverfahren kommt. Die Eile hat also einen guten Grund!
Der Verwaltungsvorschlag sah die folgende Lösung vor:
„1. Die Verwaltung wird zur Abwendung von Schäden beauftragt, das FFH-Gebiet „Düte mit Nebenbächen“ auf Grundlage der bereits einstweilig sichergestellten Gebietskulisse im Sinne einer „Übergangsverordnung“ auf dem Hoheitsgebiet des Landkreises Osnabrück unter nationalen Schutz zu stellen.
- Die Verwaltung wird zur Beschleunigung des Verfahrens beauftragt, für „die Übergangsverordnung“ die gleiche Rechtsform zu nutzen, wie sie für die einstweilige Sicherstellung verwendet wurde (NSG –Verordnung).
- Die Verwaltung wird zudem beauftragt, ein neues Unterschutzstellungsverfahren zu eröffnen, sobald die neue Gebietskulisse des o. g. FFH-Gebietes im Amtsblatt der europäischen Kommission veröffentlicht worden ist. Über die hierfür verwendete Rechtsform (NSG oder LSG) wird erst dann und auf der Basis der neuen Gebietskulisse entschieden.“
In ihrer Begründung führt die Verwaltung vor allen Dingen Zeitgründe an, denn das NLWKN habe mitgeteilt, dass die notwendigen Arbeiten im Rahmen der derzeit geltenden, einstweiligen Sicherstellung des Gebietes (bis 08.12.2025) nicht abgeschlossen werden könnten. Es fehle bisher an einer tragfähigen Abgrenzung, eine neue Gebietskulisse sei noch nicht an die EU-Kommission gemeldet worden. Für den Status eines Naturschutzgebietes (NSG) spreche zusätzlich, dass die Stadt Osnabrück für ihren Teil des Gebietes ebenfalls diesen Status vorsehe.
Gehe man den Schritt einer Ausweisung nicht, ergebe sich aus der aktuellen Situation, dass nach dem Ablauf der einstweiligen Sicherung das allgemeine Verschlechterungsverbot nach Art. 6 Abs. 2 bis 4 der FFH-Richtlinie greife, was sowohl für den Landkreis als auch z.B. für Land- und Forstwirtschaft mit einem erheblichen Aufwand verbunden sei, weil eine Verträglichkeitsprüfung erforderlich werde. Eine Verordnung schaffe den Eigentümern und Bewirtschaftern dagegen Klarheit, welche Handlungen in einem Schutzgebiet zulässig bzw. verboten sind.
Die Politiker des Umweltausschusses wollen es mehrheitlich anders
Die Mehrheit der Mitglieder des Kreistages (CDU, FDP mit einer Stimme von Bündnis 90/Grüne) verwarfen den Verwaltungsvorschlag allerdings. Den Auftakt dazu hatten Landwirte aus dem Umfeld des Schutzgebietes in der anfänglichen Fragestunde gesetzt, in der sich ein Vertreter klar für den Status des LSG positionierte und ein Vorgehen wie beim FFH-Gebiet „Bäche im Artland“ aussprach. Wenig überraschend stieß die CDU in ihrem Wortbeiträgen in das gleiche Horn und verwies auf Zusagen, die man seinerzeit gegeben habe. Bisher habe man noch nicht dargelegt bekommen, dass der Schutz nicht über ein LSG zu organisieren sei. Da es die Zusage für ein LSG gegeben habe, gehe es gegenüber den Landwirten um Vertrauensschutz. SPD und Grüne dagegen verteidigen den Entwurf der Verwaltung und sahen keine Notwendigkeit für eine Änderung. Verbunden mit einem erkennbaren Unbehagen angesichts eines im Zusammenhang mit der Normenkontrollklage des Umweltforums Osnabrücker Land gegen die Verordnung zum LSG für das FFH-Gebiet „Bäche im Artland“ wurde schon mal darauf verwiesen, dass man sich bei dem Umgang mit der Unterschutzstellung der Gebiete auf die Verwaltung verlassen müsse, weil den ehrenamtlich tätigen Abgeordneten dafür die Expertise fehle.
Im Ergebnis beschloss die Mehrheit der Ausschussmitglieder (CDU, FDP, mit Unterstützung einer Stimme von Bündnis 90/Grüne) eine Änderung des Verwaltungsvorschlages. Es ist nunmehr als Übergangslösung ein LSG auszuweisen. Die abschließende Entscheidung trifft der Kreisausschuss.
Ein Ansatz, der sich als Holzweg in unwegsames Gelände erweisen dürfte
Die Abläufe um die Unterschutzstellung des FFH-Gebietes „Düte und Nebengewässer“ bedürfen einiger Anmerkungen.
Zuerst einmal ist den Kritikern recht zu geben, die bemängelten, dass bis heute keine belastbare Gebietsgrenze vorliegt und auch die Kartierungen der schutzwürdigen Güter von Seiten des Landes nicht abgeschlossen werden konnten. Wenn man berücksichtigt, dass das Gebiet bereits im Januar 2005 an die EU-Kommission vorgeschlagen wurde, zeichnen für diesen fast zwanzig Jahre währenden Schlendrian gleich fünf niedersächsische Umweltminister aus drei Parteien dafür die Verantwortung: Sander und Birkner (beide FDP), Wenzel (B90/Grüne), Lies (SPD), Meyer (B90/Grüne) verantwortlich. Das ist nicht nur kein anständiger Umgang mit den Betroffenen im Umfeld des Gebietes, sondern auch fahrlässig hinsichtlich der eigentlich zu erreichenden Ziele: die Sicherung von europaweit gefährdeten Lebensräumen und Arten.
Befremdlich war hingegen der Gegenstand der Diskussion im Umweltausschuss: An keiner Stelle ging es darum, ob und wie man die von der FFH-Richtlinie (und dem Bundesnaturschutzgesetz) vorgegebenen Ziele erreichen kann, sondern vor allem darum, auf welchem Wege man Belastungen für Grundeigentümer und Nutzer vermeidet. Das gipfelte dann in Zweifeln, dass man die Dynamik der Natur überhaupt regeln könne. Die Natur schütze man, indem man Akzeptanz schaffe. Akzeptanz ist eine auf jeden Fall wünschenswerte, bis zu einem gewissen Grade auch notwendige, aber keinesfalls allein hinreichende Voraussetzung. Eine verbreitete Akzeptanz für die Notwendigkeit staatlicher Aufgaben wie die Aufrechterhaltung der Verkehrsinfrastruktur oder Bildungseinrichtungen führt noch längst nicht dazu, dass alle freiwillig die dafür erforderlichen Steuern zahlen. Ebenso wenig führt die Akzeptanz für unsere ökologische Infrastruktur mit den Schutzgebieten als dessen Kernelemente dazu, dass Eingriffe mit der Beseitigung schützenswerter Lebensräume selbst in Schutzgebieten unterbleiben. Der Niedergang der Natur in den letzten Jahrzehnten liefert dafür vielfältige Belege. (siehe z.B. der Schwund der Graslandlebensräume, das Aussterben des Goldregenpfeifers oder der Umgang mit unseren Wäldern).
Angesichts der gesetzlichen Verpflichtungen muteten einige Diskussionen vom 10.09.2024 unnötig an. Das gilt am Ende auch für die Frage „LSG oder NSG?“, aber anders, als viele denken werden. Ein Verschlechterungsverbot für die Lebensräume im FFH-Gebiet gilt nicht nur, wenn keine Verordnung greift, wie die Verwaltung in ihrer Begründung ausgeführt hat. Ein Verschlechterungsverbot für diese Elemente des Gebietes muss sowohl ein LSG als auch ein NSG in gleicher Weise festsetzen! Im Kern gibt es hier keinen Unterschied. Sofern sich bei den Grundeigentümern und der Mehrheit im Umweltausschuss mit dem Status des LSG die Vorstellung verbinden sollte, dass man fachlich und rechtlich unhaltbare „Wischiwaschi“-Regelung wie für das FFH-Gebiet „Bäche im Artland“ oder „Teutoburger Wald, Kleiner Berg“ festlegen kann, in der in einem ersten Teil angemessen erscheinende Verbote formuliert sind, in einem zweiten Teil dann aber alle Verbote praktisch wieder aufgehoben werden, dann wird eine solche Verordnung wohl kaum Bestand haben. Denn unabhängig von der Entscheidung des EuGH in der Vorlagefrage des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg hat letzteres bei der mündlichen Verhandlung bereits durchblicken lassen, dass die für die „Bäche im Artland“ getroffenen Regelungen wohl nicht tragfähig sind, also gerade kein Vorbild sein sollten. Es wäre fatal, wenn den Grundeigentümern bisher der Eindruck vermittelt wurde und im weiteren Verfahren weiter suggeriert werden sollte, dass eine Kopie der Verordnung „Bäche im Artland“ möglich ist.
Die Abbildungen mit Abgrenzungsbeispielen für das FFH-Gebiet machen es unabweisbar, dass eine Neuabgrenzung inkl. einer Vergrößerung der Flächen erforderlich wird. Abschnittsweise verläuft das Schutzgebiet deutlich abseits des Gewässerverlaufs. Hier hat man von Seiten des Landes Anfang der Nuller Jahre offenbar mit dickem Filzstift irgendetwas abgegrenzt, was nach Gewässerverlauf aussah. Bliebe es bei den bisher festgesetzten Grenzen, müssten Landwirte in den Schutzgebietsgrenzen ein FFH-Gebiet mit Gewässerlauf beachten, welches dort gar nicht verläuft, während Gewässerunterhaltungsmaßnahmen ohne weitere Einschränkungen erfolgen könnten, weil der entsprechende Abschnitt von den Grenzen nicht umfasst ist. Auch eine Erweiterung des Gebietes ist zwingend, denn unmittelbar angrenzend befinden sich vom Landkreis Osnabrück festgestellte gesetzlich geschützte Biotope nach § 30 BNatSchG, die zumindest z.T. auch nach der FFH-RL zu schützen sind. Darüber hinaus werden Aufweitungen erforderlich werden, wo Waldflächen mit Lebensraumtypen des Anhangs I der FFH-Richtline an die Bachläufe angrenzen. Dass solche chaotischen Abgrenzungen auch fast zwanzig Jahre nach der Erstabgrenzung in den offiziellen Datenbeständen der EU-Kommission noch immer nicht korrigiert worden sind, ist einfach nur noch peinlich!
Echter Dialog nötig!
Will man dem Schutz der biologischen Vielfalt mit der notwendigen Ernsthaftigkeit und dem erforderlichen Respekt begegnen, wird man in bestimmten Bereichen mehr oder weniger umfangreiche Nutzungseinschränkungen fest- und im Weiteren auch durchsetzen müssen. Deshalb wird es für eine auch von den Betroffenen mitgetragenen Lösung auf drei Dinge ankommen:
- In einem breiten Dialog sind der rechtlich verbindlich vorgegebene Rahmen aufzuzeigen und verbleibende Spielräume bei der Ausgestaltung zu identifizieren. Es muss klar sein, dass die Schutzauflagen verbindlich, unmissverständlich und dauerhaft festgelegt werden. Für eine am Ende auch rechtlich belastbare Lösung reicht es nicht aus, nur mit denen eine Übereinstimmung zu erzielen, die sowieso die eigenen Positionen teilen und die Dinge nur nach Atmosphärischem und Formalem beurteilen. Insbesondere das wiederholt als Vorbild herausgestellte Vorgehen im FFH-Gebiet „Bäche im Artland“ lief komplett anders ab!
- Für betroffene Landeigentümer muss im Gegenzug ebenso verbindlich geregelt sein, dass sie für Auflagen, die über das allgemein Zumutbare hinausgehen, ebenso verbindlich und dauerhaft einen entsprechenden Ausgleich dafür erhalten.
Dagegen wird der Versuch nicht ausreichen, sich mit einer „Lösung“ durchzuwursteln, die allein auf die Akzeptanz von Landnutzern und -eigentümern abstellt. Erfahrungsgemäß wird das allein rechtlich nicht halten. So wird nämlich gleichzeitig auch Akzeptanz und Vertrauen in staatliches Handeln auch bei denjenigen abgebaut, die eine konsequente Umsetzung geltender Regelungen zur Bewahrung der Biodiversität – eine der Megakrisen unserer Zeit – erwarten.
Das Jakobs-Greiskraut (Jacobaea vulgaris)
Und dann war da am 10.09.2024 noch Tagesordnungspunkt 6. Darunter gab der Landkreis allgemeine Informationen zum Jakobskreuzkraut. Da der Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, Torben Fuchs, erkrankt war, übernahm Dr. Wilcke, Leiter des Fachdienstes Umwelt beim Landkreis Osnabrück, die Vorstellung der recherchierten Ergebnisse. Während sich die Diskussion bei der Ausweisung des FFH-Gebietes „Düte“ im Formalen und Atmosphärischen erschöpfte, drehte die Erörterung bei den Möglichkeiten zur Bekämpfung des Jakobs-Greiskrauts inhaltlich so richtig auf. Ein breites Spektrum an praktischen Erfahrungen, Tipps an die Bewirtschaftung von Flächen oder Straßenrändern und Alltagsbeobachtungen kamen auf den Tisch, teils aus berufenem Munde (z.B. Bio- und konventionell wirtschaftenden Landwirte), teils erkennbar von Laien. Die Vorschläge reichten von einem verstärkten Einsatz von Bioziden über Änderungen des Mährhythmus, z.B. entlang von Kreisstraßen oder dem klassischen Ausrupfen bzw. Ausstechen der Pflanzen. Angereichert wurde die Diskussion um Beiträge zur Wuchsweise der Art, den Hinweis, die Art sei an den 13 Blütenblättern eindeutig zu erkennen und zu ihrer wichtigen Funktion im ökologischen Gefüge, als Nahrungspflanze für eine Vielzahl von Insekten nämlich. Man darf gespannt verfolgen, welche Schlussfolgerungen die Verwaltung aus dieser detailreichen Diskussion für ihre weitere Arbeit ziehen wird!
Fotos: Zur Düte: L. S. Apel; Blutbär: M. Schreiber
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