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Projekt zur Förderung und Wiederansiedlung von Wasseramseln im Raum Osnabrück
Irina Würtele
Die Wasseramsel (Cinclus cinclus) ist, anders als ihr Name vermuten lässt, näher mit dem Zaunkönig verwandt als mit der Amsel. Ähnlich dem Zaunkönig hat sie einen kurzen Schwanz und baut ebenfalls kugelige Moosnester mit seitlichem Eingang. Die Wasseramsel ist besonders: Sie ist die einzige Singvogelart, die in Fließgewässern schwimmend und tauchend nach Nahrung sucht. Sie ernährt sich von Kleintieren wie Köcherfliegenlarven, Flohkrebsen oder Schnecken. Aufgrund dieser Anpassung ist sie eine Indikatorart für saubere, naturnahe Mittelgebirgsbäche.
In den letzten 50 Jahren war die Wasseramsel an mehreren Stellen im Osnabrücker Hügelland noch als Brutvogel anzutreffen, beispielsweise am Goldbach in Hagen, an der Düte in Kloster Oesede sowie an verschiedenen Gewässern im Raum Melle. Aktuell ist nur noch ein einziges Brutpaar im Landkreis bekannt. Warum die anderen Vorkommen mittlerweile erloschen sind, ist unklar.
Das Osnabrücker Hügelland bildet die nordwestliche Verbreitungsgrenze dieser Vogelart, die aufgrund ihrer ökologischen Einnischung im Flachland keine geeigneten Nahrungsgewässer mehr vorfindet. Der Landkreis Osnabrück kennzeichnet sich durch die Ausläufer vom Teutoburger Wald und Wiehengebirge, in denen zumindest abschnittsweise noch eine hohe Fließgeschwindigkeit in den Bächen und Flüssen herrscht. Hier finden sich noch steinige Bereiche der Gewässersohle, die die Wasseramsel zur Nahrungssuche benötigt. In den flacheren Regionen im nördlichen Landkreis dürften die Lebensraumbedingungen für die Wasseramsel hingegen nicht mehr erfüllt sein. Dies liegt zum einen an der geringen Fließgeschwindigkeit, zum anderen aber auch an der hohen Fracht von Sand und Feinsediment, die aus der veränderten Landbewirtschaftung bis an den Gewässerrand resultiert.
Aus verschiedenen Beringungsprojekten im Bereich von Schwerpunktvorkommen, wie etwa in Nordhessen und dem Harz, ist bekannt, dass sich die Jungvögel tendenziell in eher geringen Distanzen von bis zu 10 km zu ihrem Schlupfort ansiedeln. Großräumigere Ansiedlungen waren eher die Ausnahme. Etwaige potenzielle „Spenderpopulationen“ für den Osnabrücker Raum stellen aufgrund seiner Lage im Bezug zum Verbreitungsgebiet daher vermutlich in erster Linie die (wenigen) angrenzenden Brutvorkommen in östlicher und südöstlicher Richtung dar (Landkreise Herford, Bielefeld, Gütersloh, Minden-Lübbecke, Lippe, Paderborn). Es ist denkbar, dass die dort erbrüteten Jungvögel aktuell nur selten bis ins Osnabrücker Hügelland vorstoßen, da die Distanzen zu geeigneten Brutplätzen recht hoch sind. Dass sich ein Brutpaar an einem geeigneten Brutplatz in unserer Region zusammenfindet ist somit möglicherweise eher die Ausnahme.
Neben der möglicherweise in weiten Abschnitten suboptimalen strukturellen Gewässerqualität könnte eine weitere Ursache für das seltene Vorkommen das insgesamt in der Region fehlende bzw. nur spärliche Brutplatzangebot sein, sodass die Basis für eine höhere Brutpaardichte fehlt. Die Wasseramsel ist ein Halbhöhlenbrüter, der auf Nischen über Fließgewässern angewiesen ist, um sich bei Gefahr ins Wasser fallen lassen zu können. Eine Datenrecherche zu den historischen Vorkommen weist darauf hin, dass die Brutplätze damals (aber auch noch heute in den Nachbarkreisen) häufig an Mühlen lagen. Dies mag an der hinter dem Stau vorherrschenden höheren Fließgeschwindigkeit liegen, die dem Vogel optimale Nahrungsbedingungen bietet, aber auch an dem Vorhandensein geeigneter Brutplätze in Mauernischen. Es ist grundsätzlich denkbar, dass einige dieser Brutplätze mittlerweile durch Sanierungsarbeiten weggefallen sind. Zudem dürfte es darüber hinaus Gewässerabschnitte geben, die aufgrund ihres Charakters zwar eine passende Nahrungsgrundlage zur Verfügung stellen würden, aber seit jeher ein passendes Brutplatzangebot fehlt.
An diesem Punkt soll das in diesem Frühjahr gestartete Wasseramselprojekt ansetzen. Ziel ist es, durch die Anbringung von Nistkästen an Brücken entlang von geeigneten Fließgewässerabschnitten im Landkreis Osnabrück die Grundlagen für ein dichteres Netz von Brutpaaren zur Verfügung zu stellen. Durch die Schaffung von geeigneten Trittsteinen kann hoffentlich die Chance für eine Wiederbesiedlung der Gewässer im Landkreis erhöht werden. Nistkästen werden gern von der Art angenommen und bieten, richtig angebracht, im Gegensatz zu vielen „natürlichen“ Brutplätzen einen sicheren Schutz vor Prädation durch z.B. Hermelin oder Waschbären, sowie vor Verlusten durch Hochwasser.
Der erste Kasten hängt bereits. Weitere Kastenstandorte sollen in Abstimmung mit dem jeweils zuständigen Unterhaltungsverband sowie ggfs. dem Straßenbaulastträger oder anderen zuständigen Stellen abgestimmt werden. Geplant ist außerdem ein begleitendes Monitoring, um den Erfolg des Projektes zu überprüfen und die Funktionsfähigkeit der Kästen sicherzustellen. Das Projekt läuft bis Mai 2024. Wer Hinweise zu ehemaligen Vorkommen der Wasseramsel oder auch aktuelle Beobachtungen hat, kann diese gern der Autorin per E-Mail oder telefonisch melden.
Wir bedanken uns bei der Haarmann Stiftung und der SON, die dieses Projekt finanziell unterstützen.
Bilder: Karsten Mosebach, Irina Würtele
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