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Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Dr. iur. F. Hess
Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 26.01.2023 (10 C 1.23) entschieden, dass anerkannte Umweltvereinigungen bei möglichen Verstößen gegen europäisches Umweltrecht gegen Pläne und Programme auch dann klagen dürfen, wenn der fragliche Plan keiner Pflicht zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung (SUP) unterliegt. Im von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB im Auftrag des BUND Naturschutz in Bayern e.V. (BN) geführten Normenkontrollverfahren hat das BVerwG nun eine anderslautende Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) aus dem Jahr 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an den VGH zurückverwiesen. Gegenstand der Entscheidung war eine Verordnung zur Festlegung eines Landschaftsschutzgebietes.
Der heutigen Entscheidung vorausgegangen war ein vom BN bereits im Jahr 2014 eingelegter Normenkontrollantrag gegen diese Verordnung, mit der eine Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes „Inntal Süd“ im Landkreis Rosenheim um ca. 650 Hektar vorgenommen wurde. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies den Antrag ab, weil dem Naturschutzverband kein Klagerecht zustehe. Weder könne er sich auf eine mögliche Verletzung einer Pflicht zur SUP berufen noch auf Bestimmungen der Alpenkonvention und des zur Umsetzung der Konvention gehörenden Protokolls „Naturschutz und Landschaftspflege“ (nachfolgend „Naturschutzprotokoll“), die aus Sicht des BN Verkleinerungen von Schutzgebieten verbieten. In der Revisionsinstanz verwies der 4. Senat des BVerwG die Fragestellungen zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung an den Europäischen Gerichtshof. Dieser urteilte am 22.02.2022 (C-300/20), dass die konkret in Rede stehende Verordnung wohl keiner Pflicht zur SUP unterliege, dies aber das nationale Gericht abschließend entscheiden müsse. Die zweite Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht fand heute am 26.01.2023 vor dem mittlerweile zuständigen 10. Senat statt.
Im Rahmen der Urteilsverkündung machte das Gericht deutlich, dass die Verkleinerung des Landschaftsschutzgebietes zwar keiner SUP bedurfte, der Umweltverband sich aber auf die Vorgaben des Naturschutzprotokolls zur Alpenkonvention berufen könne. Diese seien als Unionsumweltrecht anzusehen, weil das Naturschutzprotokoll die Alpenkonvention konkretisiere, die von der EU ratifiziert wurde. Soweit das deutsche Prozessrecht eine Klagebefugnis an die Möglichkeit einer SUP-pflicht knüpfe, müsse diese Beschränkung unangewendet bleiben, da Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention verlange, dass anerkannte Umweltvereinigungen ein Klagerecht haben müssen, wenn europäisches Umweltrecht verletzt sein kann.
Rechtsanwältin Dr. Franziska Heß (Fachanwältin für Verwaltungsrecht) erläutert die Bedeutung der Entscheidung:
„Heute wurde ein wichtiger Schritt für den Rechtsschutz anerkannter Umweltverbände über den konkret entschiedenen Fall hinaus getan. Auch völkerrechtliche Verträge, die europäisches Umweltrecht konkretisieren, können Anlass und Grund für eine Verbandsklage sein. Den Bestimmungen der Alpenkonvention und ihrer Protokolle, die einen besonderen Schutz des sensiblen Alpenraums bezwecken, wurde heute durch das BVerwG echte Schlagkraft verliehen. Die Folge ist, dass die zuständigen Behörden bei ihren Entscheidungen künftig die Alpenkonvention und ihre Protokolle ernst nehmen und die dortigen Verpflichtungen genau prüfen und erfüllen müssen.
Zugleich hat das Gericht bestätigt, dass Einschränkungen für Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden nach dem sog. Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz im Zweifel außer Betracht bleiben müssen, weil das Europäische Recht immer dann ein Klagerecht verlangt, wenn Verletzungen von europäischem Umweltrecht durch die Behörden im Raum stehen.
Damit wurde eine wichtige Grundsatzentscheidung zugunsten eines effektiven Umweltrechtsschutzes getroffen, die für alle Klagen gegen Pläne und Programme von Bedeutung ist. Denn das Erfordernis der SUP-Pflicht als Voraussetzung einer Klagemöglichkeit hat bisher eine Vielzahl von Klagen gegen Rechtsverordnungen und sonstige Pläne und Programme behindert. Das ist nun Geschichte.“
Die Pressemitteilung des BVerwG finden Sie HIER.
Für das Umweltforum ist die Entscheidung von Bedeutung, weil sich die entschiedene Grundsatzfrage auch auf das Verfahren gegen die LSG-Verordnung für das FFH-Gebiet „Bäche im Artland“ auswirken wird.
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