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Pfade zur Emissionsminderung für organische Böden in Deutschland
Chiara-Talia Neugebauer
Die wissenschaftliche Arbeit von TANNEBERGER et al. (2021) beschäftigt sich mit der Reduzierung von Treibhausgasemissionen aus Moorböden in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf das Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Sie beschreibt zwei Pfade (Pathway 1 und Pathway 2) zur Reduktion der CO2-Emissionen auf organischen Böden, wie sie unter anderem in Mooren und entwässerten landwirtschaftlichen Flächen vorkommen.
Hintergrund: Der Artikel verweist auf das Pariser Klimaabkommen, das zum Ziel hat, die globale Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen, idealerweise auf 1,5°C. Dazu müssen die weltweiten anthropogenen CO2-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null reduziert werden. In Deutschland machen Moorböden 5 % der Landnutzung aus, verursachen aber 5,7 % der jährlichen Treibhausgasemissionen (UBA 2019).
Hinweis: Die Sammelkategorie „Sonstige Feuchtgebiete*“ umfasst Torfabbaugebiete (199 km2), überschwemmte Flächen und (teilweise) wiedervernässte Flächen, auf welchen keine regelmäßige produktive Landnutzung stattfindet.
Pfad 1: Der graduelle Ansatz
Pfad 1 beschreibt einen stufenweisen Prozess der Emissionsreduktion. Der Fokus liegt auf einer schrittweisen Erhöhung des Wasserstandes in verschiedenen Landnutzungskategorien bis zur vollständigen Wiedervernässung im Jahr 2050.
Zwischenziele bis 2030:
Ackerland: Alle landwirtschaftlich genutzten Flächen auf organischen Böden sollen bis 2030 vollständig in Grünland umgewandelt werden.
Grünland: Der Wasserstand wird bis 2030 auf 15 % der Grünlandflächen auf Bodenhöhe erhöht, während auf dem Rest der Fläche eine mittlere Entwässerung (~30 cm unter der Oberfläche) beibehalten wird.
Forst: Auf 50 % der entwässerten Forstflächen soll der Wasserstand bis 2030 auf Bodenhöhe angehoben werden.
Siedlungen: Bis 2030 soll ein Drittel der entwässerten Siedlungsflächen wiedervernässt werden.
Sonstige Feuchtgebiete*: Alle entwässerten Flächen sollen bis 2030 vollständig wiedervernässt werden.
Zwischenziele bis 2040:
Grünland: Der Wasserstand wird auf 60 % der Grünlandflächen auf Bodenhöhe angehoben.
Forst: Der Wasserstand wird auf 75 % der entwässerten Forstflächen auf Bodenhöhe erhöht.
Siedlungen: Zwei Drittel der entwässerten Siedlungsflächen sollen bis 2040 wiedervernässt werden.
Endziel bis 2050:
Grünland: Auf 100 % der Grünlandflächen wird der Wasserstand auf Bodenhöhe angehoben, einschließlich der umgewandelten Ackerflächen.
Forst: Alle entwässerten Forstflächen sind bis 2050 vollständig wiedervernässt.
Siedlungen: Zwei Drittel der entwässerten Siedlungsflächen sind wiedervernässt.
Gesamtziel: Bis 2050 sollen insgesamt 16.569 km² der entwässerten organischen Böden (91 % der gesamten Fläche) wiedervernässt werden.
Emissionsreduktionen:
CO₂-Emissionen: Bis 2050 sollen die CO₂-Emissionen aus organischen Böden auf nahezu null reduziert werden, wobei 2 % der Emissionen von 2020 übrigbleiben. Dies entspricht einer Reduktion von 43 Millionen Tonnen CO2e im Jahr 2020 auf 0,7 Millionen Tonnen CO2e im Jahr 2050.
Methan (CH4): Die CH4-Emissionen steigen durch die Wiedervernässung bis 2050 von 34,4 kt auf 452,1 kt.
Distickstoffoxid (N2O): Die N2O-Emissionen sinken bis 2050 von 7,2 kt auf 0,1 kt.
Pfad 2: Der direkte Ansatz
Pfad 2 stellt eine alternative, ambitionierte Strategie dar, die die Zwischenstufe von „moist“-Wasserständen auslässt und eine schnellere Wiedervernässung ohne Übergangsphasen vorsieht. Hier wird auf eine mittlere Entwässerung (~30 cm) in Zwischenstufen verzichtet.
Zwischenziele bis 2030:
Grünland: 15 % der Grünlandflächen werden bis 2030 vollständig wiedervernässt, ohne dass eine Übergangsphase mit mittleren Wasserständen eingehalten wird.
Forst: 50 % der entwässerten Forstflächen werden bis 2030 wiedervernässt.
Siedlungen: Ein Drittel der entwässerten Siedlungsflächen wird bis 2030 wiedervernässt.
Sonstige Feuchtgebiete*: Wie in Pfad 1 werden auch hier alle entwässerten Flächen bis 2030 vollständig wiedervernässt.
Zwischenziele bis 2040:
Grünland: 60 % der Grünlandflächen werden bis 2040 vollständig wiedervernässt.
Forst: 75 % der Forstflächen werden bis 2040 wiedervernässt.
Siedlungen: Zwei Drittel der entwässerten Siedlungsflächen werden bis 2040 wiedervernässt.
Endziel bis 2050:
Grünland und Forst: Alle Flächen werden bis 2050 vollständig wiedervernässt, wie auch in Pfad 1.
Siedlungen: Zwei Drittel der entwässerten Siedlungsflächen werden bis 2050 wiedervernässt.
Emissionsreduktionen:
CO2-Emissionen: Die CO2-Reduktion ist ähnlich wie in Pfad 1. Die Emissionen sinken von 43 Millionen Tonnen CO2e im Jahr 2020 auf 0,7 Millionen Tonnen CO2e im Jahr 2050.
CH4- und N2O-Emissionen: Die Methanemissionen steigen früher als in Pfad 1, während die N2O-Emissionen schneller abnehmen. Dies liegt an der schnelleren Wiedervernässung ohne Übergangsphasen.
Vergleich beider Pfade:
Pfad 1 bietet eine allmähliche Annäherung mit einer Zwischenstufe, in der mittlere Wasserstände (~30 cm unter der Oberfläche) beibehalten werden. Diese Lösung ist möglicherweise politisch und wirtschaftlich pragmatischer.
Pfad 2 beschleunigt den Prozess der Wiedervernässung, was höhere Methanemissionen in einem früheren Stadium verursacht, jedoch auch eine schnellere Reduktion von N2O-Emissionen ermöglicht.
Beide Pfade zielen darauf ab, bis 2050 Netto-Null-Emissionen bei CO2 zu erreichen, wobei die klimatische Wirkung durch die Erhöhung der CH4-Emissionen kompensiert wird.
Fazit und Zukunftsperspektive: Die Autoren weisen darauf hin, dass eine ambitioniertere Reduktion der CO2-Emissionen dringend erforderlich ist, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen. Die Reduktion von CO2-Emissionen aus Moorböden durch Wiedervernässung wird als prioritäre Maßnahme angesehen, da alternative Technologien zur CO2-Entfernung, wie z.B. CCS (Carbon Capture and Storage), unsicher und teuer sind. Dies ist nicht nur für den Klimaschutz essenziell, sondern trägt auch zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei.
Die Wiedervernässung von organischen Böden bietet ein enormes Potenzial, stellt aber gleichzeitig politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen dar. Es wird empfohlen, die Wiedervernässung als einen zentralen Bestandteil der nationalen und europäischen Klimapolitik zu integrieren. So könnte eine stärkere Unterstützung durch die ‚Gemeinsame Agrarpolitik' (GAP) der Europäischen Union die großflächige Umsetzung von Paludikulturen fördern. Darüber hinaus wird angerraten, direkte Agrarsubventionen für die Nutzung entwässerter Moorböden zu beenden und stattdessen finanzielle Anreize für klimaschonende Landnutzungspraktiken zu schaffen. Die verschiedenen Landnutzungssektoren müssen zusammenarbeiten, um ihre Emissionsreduktionsziele zu erreichen. Emissionshandelssysteme könnten dabei helfen, die Lasten gerechter zu verteilen.
Neben Deutschland haben auch andere europäische Länder wie Polen, Rumänien und Finnland hohe Treibhausgasemissionen aus entwässerten Moorböden. Die Autoren plädieren für eine Ausweitung der in Deutschland entwickelten Wiedervernässungsstrategien auf diese Länder. Sie verweisen darauf, dass die notwendigen Daten bereits in den nationalen Berichten der Länder zur UNFCCC (United Nations Framework Convention on Climate Change) vorhanden sind.
Schlussfolgerungen für Niedersachsen: Wie von TANNEBERGER et al. (2021) beschrieben, gibt es je nach Region starke Unterschiede in der wirtschaftlichen Nutzung von Mooren. Es ist bekannt, dass Niedersachsen einen besonders hohen Anteil an Hochmooren aufweist, die traditionell intensiv für landwirtschaftliche Zwecke sowie die Torfgewinnung genutzt werden. Dies macht die Umwandlung in wiedervernässte Flächen besonders anspruchsvoll, da das wirtschaftliche Interesse diese Prozesse zum einen deutlich verlangsamt und die Einstellung der genannten Praxis darüber hinaus umfangreichen politischen und wirtschaftlichen Anpassungen bedarf. Einschließlich der großflächigen Einführung von tragbaren Alternativen, wie der Paludikultur. Hinzu kommt, dass Niedersachsen sein Ziel, klimaneutral zu sein, auf 2040 vorgezogen hat.
Der Originalartikel ist hier online verfügbar.
Eine Aktualisierung im Vergleich
In einem diesjährig veröffentlichten Artikel von SOMMER et al. (2024), unter Mitwirkung von Franziska Tannenberger, wurden die Ansätze zur Wiedervernässung von Mooren in Deutschland aus der Arbeit von TANNEBERGER et al. (2021) überarbeitet und erweitert. Der Vergleich zeigt wesentliche Unterschiede und neue Aspekte im aktuellen Ansatz:
Einführung neuer Pfade
In der aktuellen Arbeit wurden drei Pfade für die Wiedervernässung entwickelt. Pfad A entspricht dem Ansatz von Pfad 2 nach TANNEBERGER et al. (2021), während die Pfade B und C strengere Zielsetzungen für den Zeitrahmen und die Emissionsreduktionen setzen, um die Klimaneutralität schneller zu erreichen und gleichzeitig die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens zu erfüllen
Pfad B ist ambitionierter und zielt auf eine Klimaneutralität bis 2045 ab, während Pfad C den gesamten Prozess bereits bis 2040 abschließen soll. Letzterer berücksichtigt mögliche zusätzliche Anforderungen, falls andere Sektoren ihre Emissionsziele nicht erreichen.
Finanzielle Bewertung und Budgetierung: Der 2024-Ansatz vergleicht die Moor-Wiedervernässung mit dem Kohleausstieg und berechnet ein politisch gerechtfertigtes Budget. Dieses beläuft sich, je nach Pfad und angewandter Diskontrate, auf 13,8 bis 16 Milliarden Euro. Dieser Aspekt ist neu und soll die politische Umsetzbarkeit und Finanzierung der Wiedervernässung im Vergleich zum Kohleausstieg betonen.
Berücksichtigung der „politischen Zahlungsbereitschaft“ (pWTP): Im aktuellen Artikel wird der Kohleausstieg als Referenz für die finanzielle Planung der Wiedervernässung genutzt, um die Kosten pro vermiedener Tonne CO₂ für die Moor-Wiedervernässung als politische Zielgröße zu definieren.
Im Folgenden werden die Aktualisierungen genauer betrachtet.
Pfad B – Ziel: Klimaneutralität bis 2045
Pfad B (SOMMER et al. 2024) baut auf den deutschen Klimazielen auf, die bis 2045 eine Netto-Null-Emission anstreben. Im Vergleich zu den beiden Pfaden nach TANNEBERGER et al. (2021) ist Pfad B noch ambitionierter, indem er eine beschleunigte Wiedervernässung vorsieht, um Emissionen aus entwässerten Mooren schneller zu reduzieren.
Zielsetzung und Zeitrahmen: Pfad B sieht die Wiedervernässung von Mooren, insbesondere Acker- und Grünlandflächen, bis spätestens 2045 vor. Die jährliche Fläche, die ab 2030 wiedervernässt werden muss, ist in Pfad B signifikant höher als in Pfad A, um die verbleibenden Emissionen bis zum Zieljahr nahezu vollständig zu eliminieren.
Umfang der Maßnahmen: In der Dekade von 2030 bis 2039 wird die Wiedervernässung im Vergleich zu Pfad A erhöht, sodass CO₂-Emissionen auf etwa 6,6 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr gesenkt werden. Die Rate an Wiedervernässungsflächen wird nach 2030 weiter gesteigert, um ab 2040 alle verbleibenden Flächen vollständig wiederzuvernässen.
CO₂-Reduktionspotenzial: Durch die intensiveren Maßnahmen in Pfad B wird erwartet, dass bis 2045 eine vollständige Emissionsneutralität für die betroffenen landwirtschaftlichen Moorflächen erreicht wird, was die Anforderungen des deutschen Klimaschutzgesetzes unterstützt (BMU 2021). Der politische und finanzielle Aufwand ist höher als bei Pfad A, jedoch aufgrund des beschleunigten Reduktionsziels zwingend erforderlich.
Pfad C – Ziel: Klimaneutralität bis 2040
Pfad C geht noch weiter und setzt das Ziel der vollständigen Wiedervernässung auf 2040 fest, also fünf Jahre früher als Pfad B. Dieser Ansatz wird als der „ehrgeizigste“ der drei Pfade beschrieben und stellt sicher, dass Moorböden weitgehend neutralisiert sind, um die langfristigen Klimaziele zu stützen, falls andere Sektoren ihre Reduktionsziele nicht vollständig erreichen können.
Erhöhte Wiedervernässungsrate: Ab 2030 wird die jährlich wiederzuvernässende Fläche drastisch gesteigert, wobei 87.357 Hektar Grünland und Ackerland jährlich betroffen sind. Diese erhöhte Rate bleibt bis zum Ende der Periode 2039 bestehen, um sicherzustellen, dass der Übergang zum Jahr 2040 hinreichend schnell erfolgt.
Frühzeitige und umfassende CO₂-Minderung: Pfad C sieht vor, die CO₂-Emissionen für landwirtschaftlich genutzte Moorflächen bis 2040 auf null zu senken. Da diese Flächen frühzeitig wiedervernässt werden, bietet dieser Pfad einen „CO₂-Puffer“, der insgesamt zur Stabilität der nationalen Klimabilanz beiträgt.
Budget und Politische Umsetzbarkeit: Pfad C erfordert das höchste politische und finanzielle Engagement, da frühere und größere Investitionen nötig sind. Das Budget, das für Pfad C berechnet wurde, beläuft sich bei einer 2%-Diskontrate auf etwa 16 Milliarden Euro, was die höchste Investitionssumme der drei Pfade darstellt.
Zusammenfassend:
Die beiden ambitionierten Pfade (B und C) setzen auf eine schnellere Reduktion der CO₂-Emissionen durch gesteigerte Wiedervernässungsraten und bringen unterschiedliche Zeithorizonte (2045 bzw. 2040) für das Erreichen der Klimaneutralität ins Spiel. Pfad C stellt dabei die ambitionierteste Option dar, die jedoch mehr Budget und entschiedene politische Maßnahmen erfordert, um eine frühe und flächendeckende Emissionsminderung zu gewährleisten.
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