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Kritik an Neuregelung des Artenschutzes nimmt zu
Dr. Matthias Schreiber
Bereits mehrfach wurde auf dieser Seite auf kritische Stimmen zur Neuregelung des Artenschutzes im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) hingewiesen, die zum Ziel hat, den Ausbau der Windkraftnutzung an Land zu beschleunigen.
Zu den beiden Quellen (Gellermann 2022; WPKS 2022) sind neue berufene Stimmen dazugekommen.
Da ist zuerst ein Aufsatz von Prof.in Dr. S Schlacke, der Koautorin H. Wentzien und dem Koautor Dr. D. Römling (NvwZ 2022, 1577) zu nennen. Für den Ornithologen ist diese Einschätzung von Bedeutung: „Das Beschleunigungspotenzial der gesetzlichen Standardisierung in § BNATSCHG § 45B Absatz I–BNATSCHG § 45B Absatz V BNatSchG ist zweifelhaft. Einer Beschleunigung droht die Option, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, entgegenzuwirken. Fraglich ist, ob eine Habitatpotenzialanalyse in Anbetracht ihrer begrenzten Aussagekraft und fehlender normierter methodischer Standards zur Widerlegung überhaupt geeignet ist. Die Raumnutzungsanalyse ist demgegenüber aussagekräftiger, aber ungleich aufwändiger. Ferner verliert die Signifikanzprüfung durch die vorgenommenen Änderungen nicht an Komplexität, sondern scheint durch die festgelegten Prüfradien und Bewertungsdirektiven im Gegenteil an Komplexität zu gewinnen.“
Ein weiterer Punkt ist von Belang: „Die intendierte Vollzugsvereinfachung begünstigt lediglich die Prüfung der im Anhang gelisteten Arten, während weitere, nicht gelistete Vogelarten nach den bisherigen – den zügigen Vollzug gerade hindernden – Maßstäben bewertet werden. Dies fällt umso mehr ins Gewicht, da die Liste unvollständig ist: So finden z.B. der Mäusebussard und die Feldlerche bei den Abstandsregelungen keine Berücksichtigung, obwohl sie durchaus Relevanz für die WEA-Zulassung aufweisen.“
Jüngst erschienen ist ferner ein Beitrag von W. Rieger, Vorsitzender Richter am VGH Mannheim a.D. Sein Fazit:
„Am Beispiel des neuen § 45a BNatSchG bestätigt sich die alte Weisheit, dass gut gemeint nicht gleichbedeutend ist mit gut gemacht. Zur Erreichung seines Ziels, die artenschutzrechtliche Prüfung im Rahmen der Genehmigung von Windenergieanlagen an Land zu vereinfachen und die Zulassung von Ausnahmen von artenschutzrechtlichen Verboten zu erleichtern, glaubte der Gesetzgeber offenbar, die diesen Bestrebungen durch das Unionsrecht gezogenen Grenzen weitgehend ignorieren zu können. Das Ergebnis ist ein Gesetz, dessen Regelungen in mehrerer Hinsicht erhebliche Bedenken im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Unionsrecht begegnen. Statt die Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land rechtssicherer zu machen, wird damit das Gegenteil erreicht.“ (der vollständige Beitrag kann hier eingesehen werden.)
Berücksichtigt man ferner, dass die Mitglieder des Bundestages, Filiz Polat und Harald Ebner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, beides keine Leichtgewichte in der Partei (parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion sowie Vorsitzender des Umweltausschusses) in einem abweichenden Votum ihre europarechtlichen Bedenken geäußert haben (siehe hier), dann passt das in das Bild, dass juristischer Sachverstand von dem Gesetz zeichnet. In der Regierungsdrucksache 20/2658 ließ auch die SPD-Fraktion deutlich erkennen, dass man sich für die Diskussion verschiedener Punkte mehr Zeit gewünscht hätte. In das gleiche Horn stieß auch die CDU-Fraktion und verwies auf die erheblichen Bedenken, die in der Anhörung im Ausschuss geäußert worden waren (siehe Anlagen zur Anhörung im Ausschuss). Lt. Protokoll schien lediglich die FDP mit dem Entwurf zufrieden zu sein.
Nimmt man alles zusammen, wäre die Bundesregierung gut beraten, die geänderten Gesetzespassagen unter gründlicher Berücksichtigung der Expertenkritik noch einmal sorgfältig zu überarbeiten. Die gesetzlichen Regelungen dienen in ihrer jetzigen Form weder den Zielen des Biodiversitätsschutzes noch denen des Klimaschutzes.
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