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Der Vertrauensverlust in klassische Medien – vielfältige Ursachen!

Dr. Matthias Schreiber

In ihrem Beitrag „Kampf für mehr Vertrauen in die Medien“ vom 23.07.2024 (online hier) geht die Chefredakteurin der Neuen Osnabrücker Zeitung, Louisa Riepe, der Frage nach, warum immer weniger Menschen auf journalistische Inhalte bauen. Ihr Anlass ist der „Reuters Digital News Report 2024“, der zu dem Ergebnis komme, dass das Vertrauen in die Medien seit fast zehn Jahren kontinuierlich sinke. Nur noch 20 Prozent würden sich über ein gedrucktes Nachrichtenprodukt informieren, kostenpflichtige online-Angebote nur selten genutzt.

Als eine Ursache macht die Autorin – sicher zutreffend – die wachsende Individualisierung und das schier unermessliche und oftmals frei verfügbare Angebot an Informationen im Internet und in den sozialen Medien aus, ob echt oder ausgedacht, ob gut recherchiert und belegt oder auch nicht.

Mit der NOZ sieht sich Frau Riepe allerdings auf einem guten Weg: „Wir wissen besser, welche Geschichten Sie berühren oder Sie in Ihrem Alltag unterstützen. Wir bilden die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab, um Ihnen die Grundlage für Ihre Meinungsbildung zu liefern.“

In ihrem Schlussabschnitt wendet sich Frau Riepe an die Leser: „Mich interessiert aber auch Ihre Meinung: Welche Rolle spielt Journalismus – heute und in zehn Jahren? Schreiben Sie mir gerne!“ Dem kommen wir hiermit gerne nach!

„Sehr geehrte Frau Riepe,

Ihrem Aufruf in dem oben genannten Artikel kommen wir gern nach und stellen fest: Die Ursachen für den Vertrauensverlust der Medien sind sicherlich vielschichtig. Die von Ihnen genannten Gründe gehören dazu, auch die abnehmende Aufmerksamkeitsschwelle, die es bei vielen offenbar nur noch zulässt, einzelne Sätze in Verbindung mit einem Bildchen oder kurzen Videos aufzunehmen. Das ist ein Problem, mit dem auch Verbände, Politik und die Gesellschaft insgesamt zu kämpfen haben, wenn längerfristige oder dauerhafte Aufgaben zu bewältigen sind.

Wenn ich die Erfahrungen des Umweltforums aus den letzten Jahren zusammenfasse, geht unser Vertrauensverlust gegenüber der NOZ aber auch noch auf etwas anderes zurück. Entgegen Ihrer Selbsteinschätzung haben wir bei den von uns in den Vordergrund gerückten Themen des Natur- und Umweltschutzes nämlich die Erfahrung gemacht, dass die NOZ keineswegs die „Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten“ abbildet, um den Lesern „die Grundlage für Ihre Meinungsbildung zu liefern“. Das möchte ich Ihnen mit ein paar Beispielen aus Ihrer Berichterstattung (oder der unterbliebenen) zu unserer Arbeit veranschaulichen:

FurstenForest

Das Umweltforum hatte gegen den Bebauungsplan für eine Geländefahrstrecke dort geklagt und in einem Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück und einem beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg Recht bekommen. Trotz überregionaler Bekanntheit dieser Geländestrecke berichtete lediglich das Bersenbrücker Kreisblatt und nach der OVG-Entscheidung zuerst auch nur mit einer Stellungnahme des beigeladenen Eigentümers, der den B-Plan nach eigenem Bekunden gar nicht mehr umsetzen wollte. Es war erst die Intervention unseres Anwalts nötig, um das Bersenbrücker Kreisblatt auch zum Abdruck eines Statements des Umweltforums zu veranlassen. Der Nachdruck durch die Bramscher Nachrichten beschränkte sich auf die Stellungnahme und ergänzte die Position des Umweltforums trotz mehrfacher Erinnerung gar nicht.

Bildet das die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab und liefert die Grundlage für die Meinungsbildung der Leserschaft? Für die Leserschaft des Bersenbrücker Kreisblattes nur nach Intervention, für die Bramscher Nachrichten gar nicht!

Windkraftnutzung und gesetzlicher Artenschutz

Seit 2016 haben Landkreis Osnabrück, Antragsteller von Windenergievorhaben und das Umweltforum Osnabrücker Land e.V. ein Vorgehen etabliert, mit dem Belange der Energiewende und des Artenschutzes in Einklang gebracht werden. Ihr Redakteur hatte allerdings nichts Besseres zu tun, als den Protest zweier Vereine zur Förderung erneuerbarer Energien gegen eine gemeinsam erarbeitete Position zum Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Osnabrück zum Anlass zu nehmen, um mal wieder den Aufreger „Artenschutz kontra Windkraft“ aus der Schublade zu holen. Von der oben beschriebenen, seit Jahren praktizierten Einigung aller Beteiligten und deren Einzelheiten erfahren Leser der Druckausgabe nichts, erst auf unseren Protest hin wird Tage später ein entsprechender Absatz in der online-Ausgabe ergänzt.

Bildet das die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab und liefert die Grundlage für die Meinungsbildung der Leserschaft? Für die Leser der Druckausgabe nicht, für die online-Ausgabe erst nach Intervention!

A 33-Nord

Als wenig ausgewogen empfinden wir auch die Berichterstattung zur A33-Nord. Dazu zwei Beispiele: So hatten wir im Zusammenhang mit einer Anfrage eines Redakteurs nach den Mängeln bei der Planung u.a. darauf verwiesen, dass die Kartierungsdaten zur Beurteilung der Trasse für einen Abschnitt aus 2010 stammen. In der NOZ liest sich dann die folgende Formulierung: „Die letzte umfassende Kartierung der Tierwelt im Ausbaugebiet etwa datiert nach Lesart des Umweltforums auf das Jahr 2010“. Die Formulierung „nach Lesart“ verwendet man, um eine Angabe als eine Wertung zu kennzeichnen. Hinsichtlich eines Datums gibt es jedoch keine unterschiedlichen Lesarten: Die Jahreszahl 2010 ist für jeden und jede 2010! Umgekehrt dagegen der Umgang mit der Aussage der IHK, die unkommentiert sogar mit der Aussage durchkommt, es würden Belege dafür fehlen, „dass sich neben den reinen Kosten auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis verändere.“ Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu merken, dass es eine ganz spezielle Lesart darstellt, nicht von einer Änderung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses auszugehen, wenn sich der Wert auf der Kostenseite verdoppelt.

Bildet das die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab und liefert die Grundlage für die Meinungsbildung der Leserschaft? Um ein vollständiges Bild zu erhalten und subtile Wertungen einordnen zu können, müssen Bürger zusätzlich auf der Homepage des Umweltforums nachschauen!

Dialogprozess Großes Moor

Sie standen Rede und Antwort (von links): Dr. Matthias Galle, Dr. Benekdikt Beckermann, Landrat
Tobias Gerdesmeyer, Moderator Michael Steinkamp, Landrätin Anna Kebschull,
Dr. Detlef Wilcke, Johannes Stoltenberg

Seit nunmehr fast zwei Jahren läuft im Bereich des Großen Moores im Grenzbereich der Landkreise Vechta und Osnabrück ein insbesondere unter Klimagesichtspunkten spannendes Projekt an, bei dem alle beteiligten Akteure gemeinsam versuchen wollen, klimarelevante Gase, die bei der Trockenlegung und Bewirtschaftung von Moorböden entstehen, so weit wie möglich zu reduzieren. Dazu fand im September des letzten Jahres eine mit ca. 250 Teilnehmern unglaublich gut besuchte Veranstaltung statt. Die Kreisspitzen beider betroffenen Landkreise waren anwesend. Die Leser der NOZ haben davon nichts erfahren.

Bildet das die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab und liefert die Grundlage für die Meinungsbildung der Leserschaft? Die Großveranstaltung findet ihre Würdigung nur auf der Homepage des Umweltforums.

 

 

 

Torfabbau im fernen Aurich Thema, nicht im Nachbarkreis?

Und noch mal das Thema Moor. Vor einiger Zeit berichtete die NOZ überregional über eine anstehende Neugenehmigung eines Torfabbaus im vergleichsweise fernen Landkreis Aurich. Dass sich ein ähnlicher, aus Klimaschutzsicht heutzutage völlig inakzeptabler Fall unmittelbar hinter der Kreisgrenze im Landkreis Vechta ebenfalls anbahnt, blieb unerwähnt. Während Fachzeitschriften und überregionale Medien über eine Studie des Umweltforums zur noch laufenden Abtorfung in Niedersachsen und der Berücksichtigung in niedersächsischen Regionalen Raumordnungsprogrammen berichten, findet sich in der NOZ dazu nichts.

Bildet das die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab und liefert die Grundlage für die Meinungsbildung der Leserschaft?

Bauen in Überschwemmungsbereichen

Hochwasser setzt das Gewerbegebiet in Badbergen unter Wasser (Foto: J. Clausing)

Seit einigen Jahren gibt es Bemühungen der Gemeinde Badbergen, ein neues Gewerbegebiet auszuweisen, allerdings auf einem Niedermoorstandort und in einem Bereich, der nachweislich wiederholt von Überschwemmungen betroffen war. Wir hatten seinerzeit sehr kritische Stellungnahmen z.B. der deutschen Versicherungswirtschaft und weiterer Stellen eingeholt. Der doppelte Sündenfall, Errichtung eines Gewerbegebietes auf einem Moorstandort (mit erforderlicher Trockenlegung und Auskofferung der Torfschicht und letztendlich Freisetzung des dort gebundenen Kohlenstoffs) und im Überschwemmungsgebiet, war weder der Hauptausgabe der NOZ noch dem Bersenbrücker Kreisblatt eine kritische Würdigung wert, trotz der noch nicht lange zurückliegenden katastrophalen Überflutungen im Ahrtal und des Hochwassers Anfang 2024 in Niedersachsen.

Bildet das die Breite und Tiefe gesellschaftlicher Debatten ab und liefert die Grundlage für die Meinungsbildung der Leserschaft?

Was daraus für uns folgt

Diese Beispiele aus unserer Arbeit der vergangenen Jahre sind nicht geeignet, um das Vertrauen in die Berichterstattung NOZ zu wahren. Hierbei handelt es sich auch nicht um Misstrauen, welches durch soziale Medien und Fakenews genährt wurde. Es sind vielmehr unmittelbare, eigene Erfahrungen, die belegen, dass Inhalte unvollständig, missverständlich oder gar nicht dargestellt wurden. Wir verwenden deshalb schon länger keine größeren Anstrengungen mehr, u.E. berichtenswerte Themen an Ihre Zeitung heranzutragen, weil die beschriebenen Erfahrungen die notwendige Vertrauensbasis für einen fairen Umgang beschädigt haben.

Wir möchten damit nicht die journalistische Freiheit Ihrer Redakteure infrage stellen oder einschränken. Wir haben Verständnis dafür, dass Redakteure gerade auf lokaler bzw. regionaler Ebene angesichts des breiten Spektrums, welches sie zu bedienen haben, bei spezielleren Themen leicht an ihre Grenzen stoßen. Wir können auch mit einer sachlichen Kritik umgehen, auf die man dann im Zweifelsfalle mit der gleichen Sachlichkeit reagieren kann. Die beschriebenen Fälle haben diesen Rahmen aber deutlich verlassen.

Wenn Sie eine Möglichkeit sehen, die beschädigte Vertrauensbasis wieder aufzubauen, lassen Sie es uns wissen. Zu einem Austausch sind wir jederzeit gerne bereit.

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