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Mobilität im Wandel
Carolin Kunz
Die Straßen sind zunehmend verstopft, die Stadt steht vor dem Verkehrskollaps. Die Mobilitätswende ist dringend erforderlich. Wie kann der Umbau von einer autofreundlichen zu einer Stadt der Radfahrer und Fußgänger gelingen?
Auf drei Ebenen. Zum einen Infrastruktur. Es ist total wichtig, die Infrastruktur weiter auszubauen, indem wir den Menschen die Wege sozusagen vor die Füße legen, auf denen sie sicher und komfortabel fahren können. Ich stelle jetzt auf diesem kurzen Stück protected bike lane immer wieder fest, dass sie eigentlich doch zu schmal ist, weil sie gut angenommen wird und weil natürlich Eltern mit ihren Kindern nebeneinander fahren und ich mit meinem Rennrad dann trotzdem nicht vorbei komme in der anderen Geschwindigkeit. Also Infrastruktur. Und zweitens Kommunikation. Ich stelle immer wieder fest, dass die Dinge, die wir tun, bei den Menschen nicht ankommen. Derjenige, der von Eversburg wohin auch immer zur Arbeit fährt, nimmt immer die gleichen Wege und kriegt natürlich nicht mit, was wir im Katharinenviertel tun. Also Kommunikation. Ich bin sehr froh darüber, dass die neue Oberbürgermeisterin da völlig anders denkt als der letzte Oberbürgermeister. Die CDU hat mir bisher immer alle Gelder rausgestrichen für Kommunikation und gesagt, ich solle lieber einen Meter Radweg mehr bauen als rumzureden. Alle wissen das eigentlich, aber die Konkurrenz zum Mobilitätswandel, nämlich die Leute, die SUVs verkaufen, stecken enorm viel Geld in Kommunikation. Denn 95 % der Leute, die ein SUV fahren, brauchen keins. Trotzdem werden sie durch die Werbung überzeugt, dass es gar nicht mehr ohne geht.
Das sind die beiden wesentlichen Punkte, die wir brauchen. Da muss man deutlich mehr auf die Straße bringen. Das ist nicht einfach, sondern sehr komplex. Wir haben Montag gerade wieder eine Besprechung zu den ad-hoc-Maßnahmen, die wir an den Kreuzungen des Wallrings machen wollen, und wir stellen fest, was für Auswirkungen das sofort hat. Man stellt sich das immer so einfach vor, das wäre ja schön mit ein paar Pfählen und einfach eine gelbe Linie auf die Straße malen. Das funktioniert aber nicht. Wir mussten vor dem Heger Tor die gesamte Ampeltechnik austauschen, teilweise sogar die Ampelmasten, damit wir alleine dieses kurze Stück Rechtsabbiegerspur dem Fahrradverkehr zur Verfügung stellen. Und das zieht sich durch alle Kreuzungen durch. Das ist ja auch normal, dass man das von außen nicht so sehen kann. Das geht mir teilweise genauso, dass ich irgendwo hinkomme, und dann sagen die Kollegen: „Schön wär´s, aber…“. Auch die Sicherheit muss ja hergestellt werden. Ich kann nicht irgendwelche Pfähle aufstellen und dann Gefahr laufen, dass der Fahrradfahrer daran hängen bleibt. Von daher ist das schon ein bisschen komplexer. Aber wir kriegen das hin, und ich denke, dass wir innerhalb der nächsten 6-7 Monate die Kreuzungen am Wall zumindest in Teilbereichen umgestalten. Und dann kommt ja noch mal die richtige Umgestaltung hinterher. Also, Infrastruktur muss geplant werden, umgesetzt werden, und es muss regelkonform passieren, sonst machen die Hüter der Straßenverkehrsordnung nicht mit. Wir brauchen neue Instrumente in der Stadt. Wir müssen die Geschwindigkeit in viel mehr Bereichen auf 30 reduzieren. Allerdings steht die Straßenverkehrsordnung im Augenblick dagegen.
Der Streit um die Grünen Finger. Wird geschützt, was uns schützt?
„Osnabrück macht Tempo bei Tempo 30 und hat sich einer bundesweiten Initiative von 80 Städten angeschlossen, die sich „angemessene Geschwindigkeiten“ verordnen wollen. 30 km/h sollen innerorts als Regel gelten, andere Geschwindigkeiten sollen Kommunen je nach örtlichen Gegebenheiten und Erfordernissen als Ausnahme zulassen können.“ (NOZ vom 19.03.22).
Die Initiative besagt, dass den Städten die Handhabe gegeben wird, das selber entscheiden zu dürfen, das ist das Wesentliche. Das heißt nicht, dass alle Städte dann hinterher sagen, wir machen flächendeckend Tempo 30, aber sie sollen erstmal das Recht kriegen, darüber selber zu entscheiden. Im Augenblick ist es so: Es gibt zum einen die Tempo-30-Zone. Dafür gibt es bestimmte Vorgaben, was das für eine Zone sein darf: Da dürfen keine Durchgangsstraßen durchlaufen; alle Parkplätze müssen markiert und die Flächenverteilung genau geregelt sein. Zum anderen gibt es das Streckengebot, um auf einer Straße nur einen bestimmten Abschnitt Tempo 30 zu machen. Auch dafür gibt es ganz klare Richtlinien: Es muss ein Gefahrenpunkt da sein, nur vor Kindergärten, Schulen und sonstigen Institutionen, nur bis zu einer bestimmten Länge. Was dann zu solchen schwachsinnigen Verkehrsführungen führt wie auf der Knollstraße, wo wir vor der Gehörlosenschule Tempo 30 haben, dann kommt wieder Tempo 50, weil die Länge nicht reicht, bis zum Schulzentrum, und dann kommt wieder Tempo 30. Das sagt die Straßenverkehrsordnung, das ist ein Bundesgesetz. Und das muss weg, damit die Städte das besser selber entscheiden können.
Kommt tatsächlich Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit, und wie schnell könnte das geschehen?
Solange wir einen FDP-Verkehrsminister auf Bundesebene haben, wird das sicherlich nicht einfach. Es kommt aber darauf an, wie hoch der Druck auf ihn wird. Wenn die Länder da entsprechenden Druck machen, ist es ja nicht so, dass sie völlig machtlos sind.
Erstens: Die Geschwindigkeit bzw. Zeit, die ich brauche, um von A nach B zu kommen, wird bei Tempo 30 wahrscheinlich nicht langsamer. Zweitens: Die Unfallgefährdung geht um 50 % runter, weil die Bremswege sich halbieren. Und drittens: Die Aufprallgeschwindigkeit bei einem Unfall, den ich nicht mehr vermeiden kann, reduziert sich auch um – ich weiß nicht mehr wieviel – Prozent. Wenn mir mit 50 einer vors Auto läuft und ich nicht mehr bremsen kann, ist die Wucht einfach um ein Vielfaches höher als mit Tempo 30.
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