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Koalitionsvertrag: Naturschutz unter „ferner liefen“

Joachim Drüke
Niemand hat erwartet, dass die Koalitionäre CDU/CSU und SPD in Berlin in ihrem Vertrag für das künftige Regierungshandeln dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen viel Aufmerksamkeit schenken würden. Doch das, was sie aufgeschrieben haben, ist derart dünn, lückenhaft und vage, teils gegen den Naturschutz und die Naturschutzverbände gerichtet, dass es einen fassungslos zurücklässt.
Ein paar Beispiele:
Schon eine grundsätzliche Aussage wie „Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, der Erhalt der Biologischen Vielfalt und die Entwicklung attraktiver, artenreicher Erholungslandschaften sind Bedingung für Wohlstand und Wohlergehen für uns und für künftige Generationen“ sucht man vergeblich.
Ein Bekenntnis zum so wichtigen europäischen Schutzgebietsnetz „NATURA 2000“ fehlt. Will man sich an einer Aushöhlung der Schutzstandards und der Schutzziele beteiligen? Ebenso fehlen klare Aussagen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der EU-Verordnung zur Wiederherstellung der Natur.
In einem Naturflächenbedarfsgesetz will man Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und den Biotopverbund erleichtern. Hört sich auch der Name auf den ersten Blick attraktiv an, so zeigt der Zusammenhang, dass es doch wohl eher darum geht, Eingriffsvorhaben wie Straßenbau und andere zu erleichtern und landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen zu erhalten. Dabei gibt es genügend gute Gründe, sich intensiv mit dem Thema „Fläche“ zu befassen: Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Biologischen Vielfalt benötigt naturnahe Flächen - in Schutzgebieten, als Puffer zwischen intensiver Nutzung und Schutzgut, als Raum für den Rückhalt von Wasser, für den natürlichen Hochwasserschutz, für den natürlichen Klimaschutz durch Wiedervernässung von Mooren und in Form von weniger intensiv oder auch ungenutzter Flächen inmitten intensiv genutzter Agrarlandschaften. Wie organisieren wir die dafür erforderlichen Maßnahmen, wie finanzieren wir die Kosten, mit welchen Angeboten an Landbesitzer gewinnen wir diese für ein Mitmachen? Wie reduzieren wir den Flächenverbrauch durch Siedlungen, Gewerbe und den fragwürdigen Anbau von Energiepflanzen?
Warum will man die sog. kleine Wasserkraft fördern? („kleine Wasserkraft“: Anlagen mit einer Leistung von weniger als 1 Megawatt). Sie ist für die Energiewende nicht erforderlich und zerstört die Ökosysteme von Bächen und Flüssen.
Warum will man den Umfang des naturschutzrechtlichen Ausgleichs bei Windkraftanlagen, Stromtrassen und ähnlichen Eingriffen reduzieren? Was ist daran falsch, den durch solche Anlagen angerichteten Schaden an der Natur durch sinnvolle Maßnahmen vor Ort oder regional auszugleichen? Wie groß dieser Schaden sein kann, kann sich jeder bei uns im Arnsberger Wald anschauen. Und niemand wird ernsthaft behaupten können, dass die heutigen Anforderungen an Kompensation die Energiewende maßgeblich behindern.
Warum reduziert man den Naturschutz auf „Schutz durch Nutzung“? Ein wirksamer Naturschutz brauch auch „Verzicht auf Nutzung“ – im Wald, in unseren Mooren, in unseren Bach- und Flussauen, im notwendigen Umfang auch in allen intensiv genutzten Landschaften.
Die Klagemöglichkeiten der Umweltverbände gegen Rechtsverstöße im Bereich des Umweltrechtes möchte man einschränken. Die Fakten zeigen, dass die Umweltverbände diese in begründeten Fällen und mit einer ungewöhnlich hohen Erfolgsquote nutzen. Und allein die Möglichkeit einer solchen Klage ist ein Anreiz für gesetzeskonforme Verwaltungsentscheidungen, auf die wir als Rechtsstaat doch großen Wert legen sollten.
Was sind die Gründe für all das? Liegt es am Fehlen von Fachpolitikern in den Reihen der Koalitionäre, scheut man Diskussionen mit Lobbyverbänden wie den Deutschen Bauernverband, sieht man im Naturschutz ernsthaft einen wesentlichen Grund für wirtschaftliche Schwierigkeiten und bröckelnde Infrastruktur? Wo sind die Umweltpolitiker in CDU/CSU?
Die Lichtblicke

Es gibt auch Lichtblicke: Eine seit langem wünschenswerte Finanzierung von Maßnahmen zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen durch Bund und Land im Rahmen einer sog. Gemeinschaftsaufgabe gem. § 91a Grundgesetz soll immerhin geprüft werden. Das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ bleibt erhalten (hier wäre eine Entbürokratisierung allerdings sehr wünschenswert). Ein Sonderrahmenplan für die Finanzierung von Maßnahmen des Naturschutzes und der Klimaanpassung soll eingerichtet werden.
Joachim Drüke ist Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V.
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