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Sind neue Gewerbeflächen in Badbergen zu versichern?
Der Beitrag Gewerbegebiet bald landunter? weist bereits auf erhebliche Klima- und Hochwasserschutzbedenken hin, die mit der Ausweisung des Bebauungsplans 30 A „Gewerbegebiet zwischen den Bahnen - Erweiterung“ einhergehen. Weitere Nachforschungen zeigen nun, dass im Falle eines Hochwasserschadens sogar Haftungsrisiken für die Gemeinde drohen könnten. Zudem liegt das Gewerbegebiet innerhalb eines naturschutzfachlich besonders bedeutsamen Gebietes für die Fließgewässerentwicklung. Der Landkreis Osnabrück fiel diesbezüglich bereits in der Vergangenheit mit erheblichen Umsetzungsdefiziten auf.
Eine Hochwassergefahr wurde bei der Verfahrensprüfung der Planunterlagen für das Gewerbegebiet offiziell nicht festgestellt. Dies begründet der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) auf Nachfrage damit, dass die besagte Fläche nicht innerhalb einer der offiziell ausgewiesenen Gefahrenzonen (Überschwemmungsgebiete nach §115 NWG VO und Hochwasserrisikogebiete nach §78b HwSchG II) liegt. Die Berechnung der niedersächsischen Hochwasserkarten erfolgt allerdings nur für ausgewählte Gewässer. Dies betrifft solche, für die ein erhebliches Risiko z.B. für die Betroffenheit von Siedlungsgebieten oder besonders schützenswerten Anlagen erwartet wird. Zum Zeitpunkt der Festlegung der Gebietskulisse wurden die Gewässer Lechterker Rückleitung und Linksseitiger Grundabzug am geplanten Gewerbegebiet nicht dazu gezählt.
Der NLWKN bestätigt allerdings, dass Veränderungen der Entwässerungssituation, Starkniederschlagsereignisse oder Rückstaueffekte auch außerhalb der ausgewählten Gewässerkulisse zu Hochwasserrisiken führen können. Nach Meinung des Umweltforums sind die Hochwassergefahren dementsprechend nicht so einfach von der Hand zu weisen.
Bestärkung in dieser Einschätzung findet sich in der Beurteilung der Sachlage durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), den das Umweltforum angeschrieben hat. Dieser weist dem Plangebiet nach einer vorläufigen Prüfung ein erhöhtes Risiko für Schäden durch Starkregenereignisse zu. Der Verband begründet dies mit der unmittelbaren Nähe der zwei Fließgewässer sowie einer Dammwirkung auf drei Seiten durch die Bahngleise im Westen und Osten sowie der Straßen Märschdamm und Niedersachsenstraße im Norden der Fläche. Die Lage ist auf der Abbildung 1 dargestellt. Aus Erfahrungen wisse man, dass solche Lagen zu schweren Hochwasserschäden und hohe Investitionen für eine Entwässerung führen können. Die exponierte Gefährdungslage kann sich nach Aussage des GDV in der Höhe der Versicherungsprämie und des Selbstbehaltes der betroffenen Grundstückeigentümer widerspiegeln. Zudem setze sich eine Gemeinde Haftungs- und Regressansprüchen aus, wenn sie bewusst gefährdete Lagen als Bauland ausweise.
Nach den Überflutungsereignissen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen können Unkenntnis über Auswirkungen von Starkregenereignissen kaum geltend gemacht werden. Bekannt ist auch, dass solche Ereignisse im Zuge des Klimawandels zunehmen und jede Region treffen können. Bestärkt durch die Aussagen des GDV ist das Umweltforum daher der Auffassung, dass eine Kommune Hochwasserrisken nicht allein deshalb ausschließen kann, weil eine Fläche nicht in den Hochwasserkarten des NLWKN auftaucht. Unter Beachtung der beschriebenen Sachlage (Staueffekte durch die Dammlage, Zunahme von Starkregenereignissen) und der Tatsache, dass die Fläche 1998 nachweislich bereits unter Wasser stand, erscheint die Ausweisung des Gewerbegebietes daher mehr als fahrlässig.
Das geplante Gewerbegebiet liegt außerdem inmitten der Gebietskulisse für das Aktionsprogramm Niedersächsische Gewässerlandschaften. Das Programm benennt Schwerpunkträume, innerhalb derer Verbesserungen für Fließgewässer besonders sinnvoll und gewinnbringend durchgeführt werden können. Dabei wurden relevante Gebiete für den Naturschutz (z.B. FFH-Gebiete), zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) und des vorsorgenden Hochwasserschutzes einbezogen. Wie die zweite Abbildung zeigt, überlagern sich innerhalb des fraglichen Bebauungsgebietes diese drei Teilkulissen sogar. Mit Blick auf die Umsetzungsdefizite Deutschlands in Bezug auf die WRRL und die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie scheint die Planung zusätzlich fehlgeleitet. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der sich verstärkenden Klimakrise und dem voranschreitenden Artensterben.
Aus Sicht des Umweltforums bestehen außerdem im näheren Umfeld flächen- und umweltschonendere Alternativen. Dazu gehört zum Beispiel eine gewerbliche Nutzung des Solarparks Badbergen an der B68. Die Verlagerung der Solaranlagen auf die Dächer von Gewerbebetrieben würde hier eine effektive Doppelnutzung ermöglichen.
Text und Grafiken: Nina Schneider (M. Sc.), Foto: Dr. Matthias Schreiber
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