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Streuobstwiesen - gefährdet durch mangelnde oder falsche Pflege

Frank Bludau (Bilder: Frank und Jannes Bludau)

Streuobstwiesen sind vom Menschen geschaffene Kulturlandschaftsräume, die auf Mehrfachnutzung angelegt sind. Die hochstämmigen Bäume, die "verstreut" in der Landschaft stehen, tragen unterschiedliches Obst wie Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen oder Walnüsse. Die Wiese kann zur Heugewinnung oder als Weideland genutzt werden. Streuobstwiesen wurden in der Vergangenheit zumeist auf für den Ackerbau ungeeigneten Böden z.B. in Hanglagen oder als mehr oder minder lückiger Obstwiesengürtel um die Dorf- oder Hoflagen angelegt.  Ein prägendes Merkmal ist eine Bewirtschaftung, bei der in der Regel kein oder kaum Dünger und keine Pestizide eingesetzt werden. Auch hochstämmige Obstalleen an Feld- und Fahrwegen (Straßenobst), in Hausgärten oder hochstämmige Einzelbäume in der freien Landschaft gehören zum Streuobstbau.

Nachdem in den 60er und 70er Jahren viele hochstämmige Obstwiesen dem Zeitgeist geschuldet wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit der Motorsäge zum Opfer fielen und keine Neuanpflanzungen mehr vorgenommen wurden, findet seit rund 30 Jahren vor allem unter ökologischen Gesichtspunkten ein Umdenken statt. Heute sind es weniger die Rodungen, die die Hauptgefährdung für Streuobstwiesen darstellen wie noch in den 1960er-70er Jahren, vielmehr besteht die Gefahr darin, dass diese Biotope zu wenig oder falsch gepflegt werden. Es gibt leider zu viele Beispiele, bei denen Streuobstwiesen, häufig als Kompensationsmaßnahmen angelegt, vor sich hinvegetieren, weil eine fachgerechte Pflege unterbleibt. Solche Wiesen werden das gewünschte Entwicklungsziel nicht erreichen.

Daher sollte bei der Neuanlage einer Streuobstwiese grundsätzlich geklärt sein, wer die Wiese zukünftig betreut. Im besten Fall bekommt man Bewirtschafterinnen oder Bewirtschafter, die Interesse an der Grünlandnutzung (durch Beweidung und/ oder Heugewinnung) haben, Wert auf einen entsprechenden Obstertrag legen und die Bäume fachgerecht pflegen. Dann gelingt es, eine klassische Streuobstwiese zu bekommen, die sowohl das Landschaftsbild bereichert als auch einen gesicherten Obstertrag liefert und somit langfristig einen entsprechend hohen ökologischen Wert aufweist.

Das aus den Wildformen gezüchtete Kulturobst weist u.a. eine erhöhte Fruchtgröße auf und somit ein proportional höheres Fruchtgewicht. Diese erhöhte Last wirkt sich durch Druck- und Zugkräfte auf die tragenden Äste aus. Daher sollten besonders in den ersten Jahren nach der Pflanzung die Obstbäume einem straffen jährlichen Schnitt unterzogen werden, damit die Wüchsigkeit gefördert wird. Unterbleibt dieser Schnitt, tragen die Bäume unter Umständen zwar schneller erste Früchte, kümmern allerdings im Wachstum, brechen auseinander oder „vergreisen“ vorzeitig. Der Fokus sollte somit in den ersten Jahren nicht auf den Fruchtertrag gerichtet sein, sondern auf einen zügigen Aufbau des Kronengerüstes. Dieses Gerüst kann bei Hochstammobstbäumen auf starkwüchsigen Unterlagen je nach Obstart und -sorte später einen Durchmesser von sieben bis zwölf Metern erreichen. Als mögliche Kronenform hat sich die so genannte Pyramidenkrone bewährt – bestehend aus der Stammverlängerung und vier bis fünf gut verteilten Leitästen beziehungsweise Gerüstästen, an denen wiederum Seitenäste und Fruchtholz angeordnet sind. Diese Leit- oder Gerüstäste bleiben über die gesamte Lebenszeit des Baumes erhalten. Ist der Baum einmal in dieser Art und Weise geschnitten worden, werden die anschließenden Erhaltungsschnitte in einem Intervall von 5 bis 7 Jahren in Abhängigkeit von der Vitalität des Baumes und unter Berücksichtigung und Erhalt von Totholz und vorhandener Baumhöhlen durchgeführt. Die Ertragsphase bei diesen Obstgehölzen beginnt in der Regel ab dem 7. bis 12. Standjahr und hat ihren Höhepunkt oft erst im Alter von 30 bis 50 Jahren. Und auch erst dann bekommen die Obstwiesen ihren hohen ökologischen Wert, prägen das Landschaftsbild und erfüllen die Vorstellungen und Erwartungen einer typischen Streuobstwiese.

Viele Obstwiesen befinden sich in der Obhut von Städten, Landkreisen oder deren Gemeinden. Die oft für die Pflege der öffentlichen Grün- und Kompensationsflächen zuständigen Bauhöfe sind weder personell noch maschinell oder zeitlich auf eine fachgerechte Grünflächen- bzw. Streuobstwiesenpflege eingestellt. So werden Jungbäume, soweit sie denn überhaupt geschnitten werden, nur anfänglich und oft nicht fachgerecht erzogen. Die Grünlandnutzung reduziert sich auf das jährlich ein- bis zweimalige Mulchen.

Abhilfe und Unterstützung können hier Kooperationen beispielsweise mit Organisationen oder interessierten Bürgerinnen und Bürgern schaffen. Auch kümmern sich oft Naturschutzverbände um die Obstwiesen, da sie den hohen ökologischen Wert einer fachgerecht angelegten und gepflegten Streuobstwiese kennen. So wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Projekte (wie z.B. das Streuobstwiesen-Bündnis Niedersachsen) zur Nutzung von Obstwiesen initiiert und auch neue Obstwiesen, Obstalleen und Obstlehrpfade angelegt. Baumschnittkurse werden über Volkshochschulen, Landwirtschaftskammern oder als Ausbildungsmodul zur Gärtnerausbildung oder für Hobbygärtner und weitere Interessierte angeboten. Ein weiterer Schlüssel zum Erhalt von Streuobstwiesen ist die Vermarktung. Wenn die Vermarktung von Streuobstwiesen-Produkten gelingt, kommt auch Geld in die Kasse, um die Anlagen zu pflegen und zu erhalten. Obst alter Sorten oder Saft, getrocknete Apfelringe, aber auch sogenannte Nebenprodukte wie Obstblüten-Honig sind attraktive regionale Produkte. Hierzu wurden Vermarktungskonzepte u.a. vom Kompetenzzentrums Ökolandbau Niedersachsen erarbeitet.

Ob die Obstwiesen langfristig Bestand haben werden, hängt maßgeblich davon ab, dass genug öffentliche Stellen, Organisationen oder privat engagierte Menschen bereit sind Zeit, Energie und Geld in die Herstellung und Pflege zu investieren. Dazu gehört, dass das Wissen um die richtige Pflege solcher Anlagen geschaffen und intensiviert wird. Denn Streuobstwiesen sind in unserer oft ausgeräumten Landschaft ein echter Hot Spot der Biodiversität. Den größten Anteil nehmen dabei Insekten wie Käfer, Wespen, Hummeln und Bienen ein. Auch die Vielfalt der Spinnentiere und Tausendfüßer ist groß. Vogelarten wie beispielsweise der Steinkauz, Grünspecht oder Gartenrotschwanz finden dort geeignete Lebens- und Rückzugsmöglichkeiten.

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