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Gebietsschwund und Artenschwund!

Zur Entwicklung des Schutzgebietes „Rotbauchunken-Vorkommen Strothe/Almstorf“
(für die Animation auf das Bild klicken).

Dr. Matthias Schreiber

Eigentlich hat die Europäische Union ihr Konzept zum Schutz der Artenvielfalt bereits seit 30 Jahren – es ist die FFH-Richtlinie, mit der ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten etabliert werden und der Schutz von Arten und Lebensräumen sichergestellt werden soll. In Deutschland pflegt man allerdings einen „lockeren“ Umgang mit den verbindlichen Regelungen, was sich mittlerweile in einer Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof niederschlägt. Welche traurigen Blüten die Umsetzung in Niedersachsen treibt, zeigt das nachfolgende Beispiel.

2002 war bei einem Bewertungstreffen zur Vollständigkeit der FFH-Gebietskulisse in der sogenannten atlantischen europäischen Region festgestellt worden, dass aus Deutschland das einzige Rotbauchunken-Vorkommen aus dieser Region fehlt, weshalb ein „major insufficient“ für die Meldung vergeben wurde, was eine Nachmeldung des Gebietes erforderlich machte.

Der ursprüngliche Vorschlag des Landes Niedersachsen aus 2003 sah ein großes und in sich geschlos­senes Gebiet vor, welches so in die Öffentlichkeitsbeteiligung gegeben wurde (grüne Grenze). In der Vorschlagskulisse für ein weiteres Bewertungstreffen am 21./22.01.2004 mit der EU-Kommission wurde es jedoch in einem ersten Schritt drastisch verkleinert (gelbe Fläche). Das Kabinett reduzierte das Gebiet schließlich mit seinem Beschluss vom 5.10.2004 zu einem bloßen Schutzgebietsgerippe (rote Restflächen), die den Wechselbeziehungen zwischen Jahreslebensräumen und Laichgewässern der Rotbauchunke als zentraler Zielart in diesem Gebiet nicht gerecht wird.

Wohin derartige „Schutzbemühungen“ führen, dokumentiert der aktuelle FFH-Managementplan für das Gebiet. Dort heißt es: „Im FFH-Gebiet 244 befand sich 2006 noch ein isoliertes Restvorkommen der Rotbauchunke. Umfangreiche Untersuchungen im Jahr 2007 zeigten jedoch, dass die Rotbauchunke im FFH-Gebiet als verschollen gelten muss (FISCHER 2007). Auch aktuellere Geländebegehungen im Jahr 2017 konnten keine Nachweise der Art im FFH-Gebiet „Rotbauchunken-Vorkommen Strothe/Almstorf“ liefern (FISCHER 2017). Die hohe Aussterbewahrscheinlichkeit zeichnete sich in den letzten Jahren klar ab als die Reliktbestände ein populationsökologisch kritisches Abundanzniveau unterschritten (Extinktion der Metapopulation). Die Rotbauchunke gilt daher im FFH-Gebiet 244 als nicht präsent.“ Der EU-Kommission hat man davon allerdings noch nichts berichtet, denn die letzten vollständigen Gebietsdaten (letzter Zugriff: 18.12.2022) benennen noch immer einen Bestand von 11-50 Individuen, für das Jahr 2008.

Und die Politik?

Rufende Rotbauchunke (Foto: N. Schneeweiß)

Lt. Riffreporter Thomas Krummenacker hat Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) auf der Weltbiodiversitätskonferenz vor einer Aufweichung des wichtigsten Ziels zum Schutz der Biodiversität bei den laufenden Verhandlungen für ein neues Weltnaturabkommen gewarnt. „Das Ziel, künftig jeweils 30 Prozent der Land- und der Meeresflächen unter Schutz zu stellen, müsse mit klaren Qualitätskriterien unterfüttert werden, sagte Lemke am Donnerstag am Rande der Konferenz in Montreal. Es dürfe nicht passieren, dass dieses Ziel zwar beschlossen werde, danach jedoch jeder Staat für sich entscheide, was unter Schutz zu verstehen sei. … Gleichzeitig müssten klare Kriterien sicherstellen, dass ein ausreichendes Schutzniveau garantiert werde. „Sie dürfen nicht nur auf dem Papier existieren, als reine Paperparks“, warnte die Grünen-Politikerin.“

Da hat die Ministerin zweifelsfrei Recht. Bevor sie darüber jedoch Länder in Südamerika oder im zentralen Afrika belehrt, sollte sie diese Grundsätze zuerst im eigenen Land durchsetzen. Im Landkreis Uelzen könnte sie damit anfangen. Ihr grüner Amtskollege aus Hannover, Christian Meyer, ist ihr sicher gerne behilflich.

Das hier dokumentierte Beispiel ist besonders auffällig, aber keineswegs einzigartig. Im Laufe der nächsten Monate werden deshalb weitere Fälle – nicht nur aus Niedersachsen – aufbereitet.

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