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Wer legt die Signifikanz für Tötungen im Artenschutz fest?
Dr. Matthias Schreiber
Auf den ersten Blick mag die Frage nach der signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos für europäische Vogelarten und für Tierarten nach Anhang IV der FFH-Richtlinie weit weg und unverständlich sein. Für die praktische Anwendung der entsprechenden Vorschrift aus dem Bundesnaturschutzgesetz (§ 44) ist sie jedoch von großer Bedeutung, insbesondere bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit von Windkraftanlagen (WKA). Die Frage nach der signifikanten Erhöhung des Tötungsrisikos von Vögeln an WKA hat sogar schon das Bundesverfassungsgericht beschäftigt (Az. 1 BvR 2523/13). Es kam in der Entscheidung schon im Oktober 2018 zu dem Schluss, dass hier der Gesetzgeber eine Festlegung zu treffen habe. Diese ist allerdings auch in der neuen Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) noch immer nicht erfolgt, sodass weiterhin erhebliche Schwierigkeiten bei der Handhabung der gesetzlichen Regelung besteht (zusätzlich zu den neu eingebauten).
Der hier verlinkte Beitrag zeigt auf, dass es nicht zuerst eine fachliche Frage ist, wo die Schwelle für eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos liegt, sondern dass Biologen in einem konkreten Planungsverfahren nur darlegen können, ob eine solche Schwelle erreicht oder überschritten ist – wenn sie denn vom Gesetzgeber oder den Gerichten einmal festgelegt worden sein sollte. Eingegangen wird auch auf den sogenannten Mortalitäts-Gefährdungs-Index, einem planerischen Konstrukt aus dem Bundesamt für Naturschutz, welches immer wieder als Ersatz herangezogen wird. Der sogenannte MGI eignet sich jedoch nicht zur Beurteilung des Tötungsrisikos durch Projekte, weil er methodisch unsauber Gesichtspunkte der Betroffenheit von Individuen mit Häufigkeit, Gefährdung und anderen populationsbiologischen Aspekten vermengt. Für die Beurteilung des Verbotes nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG kommt es allein auf die Betroffenheit der jeweiligen Individuen an. Diese Regelung ist europa- und völkerrechtlich verankert. Auf Punkte wie Häufigkeit oder allgemeine Gefährdung kommt es erst an, wenn zu entscheiden ist, ob eine Ausnahme vom Tötungsverbot erlassen werden kann. Um diesen Maßstab mit einem Vergleich zu verdeutlichen: Für die Frage, ob etwas als Kaufhausdiebstahl zu werten ist, kommt es auch nicht darauf an, ob in der Auslage weiterhin noch hundert des entwendeten Gegenstandes liegen, ob er 5 oder 500 € wert ist und ob der hinter dem Kaufhaus stehende Konzern ein gutes Quartalsergebnis hatte.
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