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Welche Vogelarten sind als kollisionsgefährdet bei der Genehmigung von Windkraftanlagen zu berücksichtigen?

Dr. Matthias Schreiber
Für die Planungs- und Genehmigungspraxis von Windkraftanlagen (WKA) schien es ausgemacht, dass man sich auf das schmale Artenspektrum in Abschnitt 1 der Anlage 1 zu § 45b Absatz 1 bis 5 BNatSchG beschränken kann. Diese Beschränkung geht zwar nicht aus dem Gesetz, aber aus der Begründung hervor. Die dahinterstehende Geschichte geht so, dass ebenfalls kollisionsgefährdete Vogelarten wie Mäusebussard, Turmfalke oder Feld- und Heidelerche ja so häufig seien, dass deren Risiko vernachlässigt werden könne. Andere Arten wie z.B. Uferschnepfe, Bekassine oder Bienenfresser spielten in der Diskussion um die Kollisionsgefährdung bisher überhaupt keine Rolle.
Dass der Hinweis auf die angebliche Häufigkeit z.B. des Mäusebussards in der Vergangenheit regelmäßig des Nichtberücksichtigung zur Folge, war schon immer ein schräger Einwand, wie ein Vergleich mit den Fledermäusen zeigt. Bestandsschätzungen für die Zwergfledermaus in Deutschland gehen nämlich von einem Gesamtbestand von 7 bis 18 Mio. Individuen aus, ohne dass irgendjemand deren Schutz vor Kollisionen infrage stellt. Demgegenüber umfasst der Bestand des Mäusebussards bei 68.000 – 115.000 Brutpaaren und 1,5 Jungvögeln pro Brut in Deutschland 238.000 – 402.500 Individuen, also 3,4 – 2,2 % des Bestandes der - ungefährdeten – Zwergfledermaus. Die sein Bestand reicht noch nicht einmal an den des Abendseglers heran (0,6 – 1 Mio. Individuen; Fledermauszahlen aus Renebat III). Der Mäusebussard – zu häufig für artenschutzrechtliche Auflagen?
Hinsichtlich des Flugverhaltens steht dagegen außer Frage, dass Mäusebussarde einem ähnlichen Risiko ausgesetzt sind wie z.B. Rotmilane. In fachlicher Hinsicht war die Aussparung der Art daher nie gerechtfertigt.
Aber auch rechtlich gab es für die vielfach fehlende Berücksichtigung des Mäusebussards keine Rechtfertigung, wie auch auf dieser Seite schon wiederholt erörtert wurde.
Mit der jüngsten Entscheidung des EuGH zum Umgang mit dem Artenschutz dürfte sich die verbreitet angenommene Beschränkung auf die wenigen Arten im Anhang des Naturschutzgesetzes erledigt haben.
Die Einschätzung der EU-Kommission

Eine zusätzliche Bestätigung dafür ergibt sich nun aus einem Schreiben der EU-Kommission vom 06.05.2025 auf eine Beschwerde des Nabu vom 12.04.2023 gegen die Neuregelungen des Artenschutzes bei der Genehmigung von WKA (CPLT(2023)01271). Sie hat einige interessante Hinweise zu bieten.
Zur Frage der Liste der zu prüfenden kollisionsgefährdeten Arten äußert sich die Kommission so:
„Grundsätzlich bestehen aus unionsrechtlicher Sicht keine Bedenken aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung, die artenschutzrechtliche Prüfung auf die tatsächlich kollisionsgefährdeten Vogelarten zu beschränken und eine entsprechende Liste zu erstellen. Ein Problem könnte jedoch dann entstehen, wenn im Einzelfall trotz entgegenstehender Erkenntnisse, die den Behörden auch vorliegen, allein mit Hinweis auf die Liste eine Kollisionsgefährdung ohne weitere Prüfung verneint wird. Solange also im begründeten Einzelfall die Behörde im Hinblick auf nicht als kollisionsgefährdet eingestufte Vogelarten zu einer abweichenden Einschätzung bei entsprechender Sachlage kommen kann, bestehen aus unserer Sicht zurzeit keine Bedenken hinsichtlich dieser Regelung.“ Daraus lässt sich folgern, dass die Liste auch nach Einschätzung der EU-Kommission keineswegs als abschließend verstanden werden kann, zumal sie von „tatsächlich kollisionsgefährdeten Vogelarten“ spricht.
Was die abweichende Einschätzung begründen könnte, sagt sie zwar nicht. Hier aber ein paar Überlegungen dazu: Wenn z.B. Genehmigungsbehörden in früheren Verfahren zu der Erkenntnis gekommen sind, dass Feldlerchen oder Mäusebussarde unter bestimmten Bedingungen kollisionsgefährdet sind, kann dies künftig für entsprechende Situationen nicht mehr unter Verweis auf die nationale Gesetzesregelung verneint werden. Was bedeutet eine solche Erkenntnis für andere Genehmigungsbehörden? Denn das Verhalten der Arten wechselt ja nicht vom Zuständigkeitsbereich der einen Behörde zur anderen.
Gleiches gilt, wenn das Risiko nicht in der Liste geführter Arten vergleichbar dem Risiko ist, bei denen für die Arten aus der Liste eine signifikante Erhöhung gegeben ist, wenn Gerichte bisher ein erhöhtes Risiko für diese Arten nicht infrage gestellt haben oder Leitfäden einzelner Länder entsprechende Hinweise gegeben haben.
Auch zu Schutzmaßnahmen äußert sich die Kommission. Sie sind zu berücksichtigen. „Es ist dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, zu entscheiden, welche und in welchem Umfang Schutzmaßnahmen, wie die Abschaltung von Windkraftanlagen, angeordnet werden können. Sollten die festgelegten Schutzmaßnahmen jedoch nicht ausreichen, um das Tötungsrisiko entscheidend zu verringern, so kann das Projekt nur unter den Voraussetzungen des Artikel 9 der Vogelschutz-RL genehmigt werden. Dies setzt u.a. voraus, dass einer der in der Vorschrift genannten Ausnahmegründe vorliegt.“ Wo das notwendige Maß der Risikominimierung liegen könnte, bleibt hier wie bei der bisherigen Genehmigungs- und Rechtsprechungspraxis weiter im Verborgenen. Bemerkenswert ist allerdings der Verweis auf eine dann erforderliche Ausnahme nach Art. 9 Vogelschutzrichtlinie. Denn dort gibt es eine nach Feststellungen des EuGH abschließende Liste von Ausnahmegründen, die eigentlich allesamt nicht für den Einsatz von WKA infrage kommen. Ob eine Argumentation Bestand haben kann, die z.B. für eine Einzelanlage in der Nachbarschaft eines Schreiadlerhorstes menschliche Gesundheit als Ausnahmegrund geltend macht und wie sie in die RED II-Richtlinie eingeführt wurde, bedarf sicherlich noch einer Klärung durch den EuGH.
Schließlich mag sich die EU-Kommission auch der Vorstellung des Bundesgesetzgebers nicht uneingeschränkt anschließen, wonach eine Alternativensuche auf einen Radius von 20 km beschränkt wird: „Im begründeten Einzelfall kann allerdings auch ein Alternativstandort für das geplante Projekt in mehr als 20 km Entfernung angezeigt sein.“ Bei künftigen Planungen sollte man daher auch mit dieser nationalen Beschränkung sehr zurückhaltend verfahren.
Es ist jetzt an den Naturschützern vor Ort, dem Artenschutz bei der Genehmigung von WKA zur vollumfänglichen Durchsetzung zu verhelfen. Das bedeutet in aller Regel nicht das Aus einer Planung, wird aber allein im Rahmen des vom Gesetzgeber benannten Zumutbarkeitsrahmens (§ 45b Abs. 6 BNatSchG) zu einer massiven Reduzierung von Kollisionsopfern durch gezielte Abschaltungen führen.
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